Im Bann der Versuchung
stockte der Atem. „Fergus möchte, dass Iain sich vom Wasser fern hält, solange er noch so klein ist."
„O nein", widersprach Dougal und ließ dabei den Jungen auf seinen Schultern in die Höhe hopsen, „das würde dem kleinen Kerl ja das Herz brechen. Ich glaube, er ist da genau wie ich: Das Meer zieht ihn an. Es liegt ihm im Blut."
„Ja, im Blut!" rief Iain kichernd von seinem hohen Sitz und streckte die Arme wie zwei Flügel weit aus, als Dougal sich einmal mit ihm im Kreis drehte.
Margaret schaute so nachdenklich zu den beiden auf, dass Dougal ein wenig verwirrt hinzufügte: „In seiner Familie sind doch so viele Fischer und Seefahrer."
Sie gab keine Antwort, sondern drehte sich abrupt um. Die Hände auf Iains Knien verfolgte Dougal, wie sie sich unter die Menge mischte. Als eine melancholische Melodie auf Norries Fiedel erklang, ließ Dougal den Jungen langsam auf den Boden gleiten und holte ihm ein Obstgetränk, das Thora aus dicker Sahne, Hafermehl und wilden Erdbeeren zubereitet hatte.
Dougal beobachtete Margaret aus der Ferne und fragte sich verwundert, womit er sie wohl so aus der Fassung gebracht haben könnte.
Die Sänger machten eine Pause, und Norrie richtete eine Saite, die aus dem Steg gesprungen war.
„Miss MacNeill!" wandte sich Alan Clarke an Margaret, die neben ihm stand. „Ich muss zugeben, dass ich neugierig bin, aber ist eine der beiden Damen dort drüben Lady Strathlin?" Er deutete auf Mrs. Berry und die Haushälterin, die zusammen mit Thora und einigen anderen Fischerfrauen mit Speisen und Getränken für das leibliche Wohl der Gäste sorgten.
Margaret zögerte. Nicht nur der Vorarbeiter, auch Dougal Stewart drehte sich interessiert um und schien auf ihre Antwort zu warten. Sie hatte eine solche Frage befürchtet, seit ihre Großmutter Dougal weisgemacht hatte, Mrs. Berry sei die Baroness. „Oh", sagte Margaret schließlich, „die große Frau ist die Haushälterin, Mrs. Hendry, und die andere ist Mrs.... Berry, Lady Strathlins ehemalige Gouvernante und jetzige Gesellschafterin."
„Mrs. Hendry habe ich schon kennen gelernt. Aber Mrs. Berry ...?" Dougal schien erstaunt.
Margaret mied seinen Blick. Sie hatte sich fest vorgenommen, am heutigen Abend fröhlich zu sein, aber es gelang ihr nicht, sich von der Angst und den Schuldgefühlen zu befreien, die sie seit ihrer letzten Begegnung mit Sir Frederick nicht mehr zur Ruhe kommen ließen.
„Seltsam, alle Leute von der Insel sind heute Abend hier - nur Lady Strathlin nicht. Diese hochnäsige Xanthippe muss sich doch auch über Iains Rettung freuen können", murmelte Clarke ärgerlich.
„Sie hat sich sehr gefreut. Das kann ich Ihnen versichern", erklärte Margaret schnippisch.
„Ich könnte schwören", sagte Dougal nachdenklich, „dass Mrs. Berry die Dame ist, von der man mir vor ein paar Tagen am Strand sagte, sie sei Lady Strathlin."
„Manche Frauen sehen sich eben ähnlich", antwortete Margaret.
Dougal schaute sie eindringlich an. „Schade, nun werde ich die Baroness wieder nicht persönlich kennen lernen."
„Richtig." Margaret wich seinem prüfenden Blick nicht aus. Ich bin deine zänkische Baroness, und ich brauche dich, jetzt mehr denn je, hätte sie ihm am liebsten geantwortet.
„Ach, vielleicht ist sie doch hier", meinte Clarke grinsend. „Als Fischerfrau verkleidet. Die echte Mutter Elga schläft zufrieden in ihrem Bett, und die Greisin dort drüben ist Lady Strathlin, angetan mit Mutter Elgas uraltem Plaid."
Verärgert drehte Margaret sich um.
„Alan macht nur Spaß", versuchte Dougal sie zu versöhnen. „Er meint es nicht böse. Ich bin jedenfalls ganz sicher, dass die Frau dort drüben Ihre Urgroßmutter ist."
Sie wandte sich ab und sah Iain zu, der ausgelassen hopsend zwischen Peigi und Fergus tanzte. Ihre Hand zitterte leicht, als sie sich seufzend über den Mund strich. Sie hatte kaum geschlafen. Auf langen einsamen Spaziergängen hatte sie über Sir Fredericks Drohung nachgedacht. Immer wieder hörte sie seine grausamen Worte. Über kurz oder lang musste sie ihm eine Antwort geben.
Verzweifelt, wie ein Vogel im Käfig, ohne Hoffnung je frei zu kommen, fühlte sie sich. Allein durch seine hinterhältige Art war es Sir Frederick gelungen, sie hereinzulegen. Irgendwie musste sie diese erzwungene Heirat verhindern, musste ihn davon abbringen, sein Wissen über sie zu nutzen. Sie konnte sich nicht vorstellen, den Rest ihres Lebens als Mathesons Frau zu verbringen und doch stets fürchten zu
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