Im Bann der Versuchung
Interesse. Es wird für Sie nahezu unmöglich sein, Madam, ohne vorherigen Meinungsaustausch eine Verbindung einzugehen."
„Falls ich mich jemals entschließen sollte zu heiraten - was ich aber kaum glaube -, so würde ich allein mein Herz entscheiden lassen und nur den Mann, der in Betracht kommt, bei diesem Entschluss zu Rate ziehen. Ich hoffe, man wird dafür Verständnis zeigen. Im Moment habe ich allerdings keine derartige Anzeige zu machen. Vielleicht heirate ich nie", sagte sie leise und blickte dabei zur Seite. „Ich bin dankbar für mein großes Vermögen, aber diese Erbschaft ... nun, sie macht eine loyale und auf Liebe basierende Verbindung äußerst schwierig. Es ist nicht leicht, einem Mann, der mir seine Zuneigung zeigt, zu vertrauen. Ich denke, das werden Sie sicher verstehen. Und ich hoffe auch, Sie werden die Angelegenheit für sich behalten. Ich lege nämlich großen Wert auf ein ungestörtes Leben."
Sir John räusperte sich. „Ja, sicher, Mädchen ... Madam", stammelte er verlegen.
Margaret sah ihn ruhig an und lächelte verbindlich. „Ich danke Ihnen, Sir John. Bitte weisen Sie die Bank an, entsprechend meinen Anforderungen die Gelder für die neue Haushälterin im Matheson-Haus bereitzustellen."
„Sehr wohl, Madam." Er stand auf. „Ein Scheck wird Ihnen zugeschickt."
„Danke, Sir John. Leben Sie wohl." Er verabschiedete sich und ging zu der breiten Doppeltür mit den geätzten Glasscheiben.
Margaret seufzte. Zwar machte der große Reichtum ihr das Leben leichter, aber manchmal war all das auch sehr belastend. Obwohl sie vielen Menschen hatte helfen können, einschließlich der Inselbewohner von Caransay, als sie das Eiland gekauft hatte, trug sie immer noch schwer an der heimlichen Last, die sie ihr ganzes Leben lang begleiten würde. Das Geschenk des Kelpies, wie ihre Großmutter es stets nannte, dieses riesige Vermögen und ein fantastischer Sohn waren ihr Glück und bedeuteten zugleich mehr Herzeleid, als sie manchmal glaubte ertragen zu können.
Ohne den unerwarteten Geldsegen ihrer Erbschaft hätte sie sich in ähnlicher Lage wie die jungen Mädchen befunden, denen sie durch ihre wohltätige Institution zu helfen gedachte.
Ledig, aber mit einem Kind, war Margaret nach dem plötzlichen Tod von Lord Strathlin die Erbin all seiner Güter geworden. Durch die Hilfe der Familie und von Freunden, geschützt durch die Macht des Geldes, würde ihr Geheimnis nie bekannt werden. Ihr Sohn lebte sicher in der Obhut einer Familie auf Caransay. Doch Reue und Gram verspürte sie tagtäglich, und sie wusste, dass sie nie das Schamgefühl verlieren würde, seinen unvergesslichen, aber namenlosen Vater getroffen und geliebt zu haben.
Heiraten. Margaret musste lachen. Nach altem schottischen Gesetz und dem unerschütterlichen Glauben ihrer Großmutter war sie bereits verheiratet.
Verschämt berührte sie das kleine goldene Medaillon, das sie unter ihrem Tageskleid aus dunkelblauem Brokat trug. Das Schmuckstück enthielt ein kleines Bild ihres blonden Sohnes und einen Ring, geflochten aus einem roten Faden und zwei Haarsträhnen. Sie legte das Medaillon nie ab, weil sie jene leidenschaftliche Nacht nicht vergessen konnte. Zudem konnte sie ihren Sohn nur viermal im Jahr besuchen, und die Monate ohne ihn waren für sie sehr schmerzlich.
Strathlin Castle war zwar ein herrlicher Wohnsitz mit dem alten Gemäuer, der im achtzehnten Jahrhundert stilvoll renoviert und neu möbliert worden war, aber das Schloss war nie zu ihrem Heim geworden. Es hatte zu viele Zimmer, zu viel Land gehörte dazu, und es gab eine Unzahl an Regeln für das Zusammenleben. Sie bevorzugte das einfache Leben auf der Insel, wo die Tage abwechslungsreich waren und menschliche Nähe gepflegt wurde, wo Traditionen beruhigende Routine schufen und die wunderbare Schönheit und die beeindruckende Kraft der Natur nicht durch Malereien oder die Farben eines kostbaren Teppichs imitiert werden mussten.
Margaret schaute zum anderen Ende der Bibliothek. Dort saß Mrs. Berry, ihre frühere Gouvernante und heutige Gesellschafterin. In ihrem weiten, schwarzen Rock passte sie kaum in den schmalen, mit grünem Leder bezogenen Lehnstuhl. Margarets zweite ständige Hausgenossin, Mrs. Shaw, die junge, verwitwete Schwiegertochter von Sir John, war unten in der Küche und besprach mit der Haushälterin das Wochenmenü. Eine Aufgabe, die Margaret nur zu gern ihrer zurückhaltenden und tüchtigen Freundin überließ. Beide Frauen waren ihr in den
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