Im Bann der Wüste
kann sich mit großen Ambitionen herausputzen, egal, wie erbärmlich sein Posten auch sein mag, Felisin. Du tust Schlimmeres, als dich einfach nur an die Erinnerung an Beneth zu klammern – du klammerst dich an die Allüren, die er hatte, und das war nichts als Lug und Trug – «
Sie wirbelte herum. »Du hast keine Ahnung!«, zischte sie zitternd vor Wut. »Du glaubst, ich fürchte mich vor dem, was ein Mann tun könnte? Irgendein Mann? Du glaubst, du kennst mich? Du glaubst, du weißt, was ich denke, was ich fühle? Du verdammter, überheblicher Bastard – «
Sein Lachen ließ sie zusammenzucken, als hätte er sie geschlagen; sie verstummte augenblicklich. »Mein liebes Mädchen«, sagte er. »Du willst mich weiter an deiner Seite haben – als was? Als Schmuckstück? Als makabre Kuriosität? Willst du mir die Zunge herausbrennen lassen, um meine Blindheit auszugleichen? Dann bin ich also hier, um dich bei Laune zu halten, obwohl du mich der Überheblichkeit anklagst. Oh, das ist wirklich drollig – «
»Sei still, Heboric«, sagte Felisin leise. Sie fühlte sich plötzlich müde. »Wenn wir es schaffen sollten, uns eines Tages wirklich zu verstehen, dann wird das wortlos geschehen. Was brauchen wir beide Schwerter, wenn wir unsere Zungen haben? Wir sollten sie wieder wegstecken und es damit gut sein lassen.«
Er legte den Kopf schief. »Noch eine letzte Frage. Warum willst du, dass ich hier bleibe, Felisin?«
Sie zögerte mit ihrer Antwort, fragte sich, wie er diese ganz besondere Wahrheit aufnehmen würde. Nun, das ist doch schon mal was. Vor noch nicht allzu langer Zeit wäre mir das ziemlich egal gewesen. »Weil es überleben bedeutet, Heboric. Ich biete es dir … für Baudin.«
Den Kopf immer noch schief gelegt, wischte sich der ehemalige Priester mit einem Unterarm über die staubige Stirn. »Vielleicht schaffen wir es ja irgendwann doch noch, uns zu verstehen«, sagte er.
Die Mündung des Kanals wurde von einer Reihe breiter Steinstufen markiert; insgesamt waren es über hundert. An ihrem Fuß – dort, wo einst der Meeresgrund gewesen war – war eine neuere Steinmauer erbaut worden; an dieser Mauer gab es Befestigungspunkte für ein Sonnensegel aus Zeltleinwand. Ein Ring aus Steinen umgab eine nahe gelegene, aschebefleckte Feuerstelle, und die alten Pflastersteine, unter denen sich das Proviant-Versteck befunden hatte, waren jetzt ein wirrer, umgestürzter Steinhaufen.
Der Grund für den Aufschrei des Toblakai waren die sieben halb aufgefressenen Leichen, die im Lager verstreut herumlagen; sie waren unter einer dicken Schicht aus Fliegen kaum zu sehen. Das Blut in dem feinen, weißen Sand war nur ein paar Stunden alt; es fühlte sich immer noch klebrig an. Der Gestank entleerter Gedärme hing schwer in der dunstigen Luft.
Leoman hockte bei den Stufen und musterte die blutigen Spuren, die davon kündeten, dass der Mörder wieder zur Stadt hinaufgestiegen war. Nach einigen Augenblicken warf er dem Toblakai einen Blick zu. »Wenn du dir den holen willst, musst du allein gehen«, sagte er.
Der Riese fletschte die Zähne. »Ich will auch nicht, dass mir jemand in die Quere kommt«, antwortete er, nahm seinen Wasserschlauch und seine zusammengerollten Decken ab und ließ beides zu Boden fallen. Dann zog er sein hölzernes Schwert aus der Scheide; er hielt es, als wäre es nicht schwerer als ein Zweig.
Heboric, der ein paar Schritte entfernt an der Mauer lehnte, schnaubte. »Du willst diesen Wechselgänger zur Strecke bringen. Ich nehme an, dass du dich der durchschnittlichen Lebenserwartung der Mitglieder deines Stammes näherst – wenn man davon ausgeht, dass deine Artgenossen genauso dumm sind wie du. Nun, ich zumindest werde deinen Tod nicht beweinen.«
Der Toblakai hielt sich an seinen Schwur und verzichtete auf eine Antwort. Nur sein Lächeln wurde breiter. Er drehte sich zu Leoman um. »Ich bin die Rache der Raraku für solche Eindringlinge.«
»Wenn du das bist, dann räche mein Volk«, antwortete der Wüstenkrieger. Der Toblakai machte sich auf den Weg. Er nahm drei Stufen auf einmal und wurde nicht langsamer, bis er das obere Ende der Treppe erreicht hatte. Dort machte er Halt, um sich erneut die Spuren anzusehen. Einen Augenblick später war er aus ihrem Blickfeld verschwunden.
»Der Wechselgänger wird ihn töten«, sagte Heboric.
Leoman zuckte die Schulter. »Vielleicht. Sha’ik hat allerdings weit in seine Zukunft gesehen …«
»Und was hat sie gesehen?«, fragte
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