Im Bann der Wüste
Toblakai; dann warf er einen Blick auf Heboric. »Und ich habe es noch nicht gesagt.«
Etwas im Gesichtausdruck des Riesen sprach von unendlicher Geduld, gepaart mit unfehlbarer Gewissheit. Er richtete sich zu seiner vollen Größe auf, nahm einen Wasserschlauch von Leoman entgegen und machte sich wieder auf den Weg.
Heboric starrte ihm mit blinden Augen nach. »Das Holz dieser Waffe ist voll gesogen mit Schmerz. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er nachts gut schläft.«
»Er schläft so gut wie überhaupt nicht«, murmelte Leoman. »Und du solltest aufhören, ihn zu reizen.«
Der ehemalige Priester schnitt eine Grimasse. »Du hast die Seelen der Kinder nicht gesehen, Leoman, die an seine Fersen gefesselt sind. Aber ich werde mich bemühen, in Zukunft den Mund zu halten.«
»Sein Stamm hat wenig Unterschiede gemacht«, sagte Leoman. »Es gab das Volk – und alle anderen, die nicht zum Volk gehört haben, waren Feinde … Aber genug geredet.«
Etwa hundert Schritte weiter verbreiterte sich die Straße schlagartig, mündete in die flache Hochebene. Zu beiden Seiten verliefen Reihen um Reihen länglicher Buckel aus rötlichem gebranntem Ton; jeder dieser Buckel war sieben Fuß lang und drei breit. Obwohl der in der Luft schwebende Staub den Horizont nah heranrücken ließ, konnte Felisin sehen, dass die Reihen das gesamte Plateau zu Dutzenden umgaben – dass sie die Ruinenstadt vor ihnen vollständig einschlossen.
Die Pflastersteine waren jetzt ganz zu sehen; sie bildeten einen breiten, erhöhten Fußweg, der kerzengerade auf etwas zulief, was einmal ein großes Tor gewesen war, jetzt jedoch vom jahrhundertelang wehenden Wind in kniehohe Stümpfe aus ausgebleichtem Stein verwandelt worden war. Genau wie die Stadt dahinter.
»Ein langsamer Tod«, flüsterte Heboric.
Der Toblakai schritt bereits durch das Tor.
»Wir müssen die Stadt durchqueren, um zum Hafen auf der anderen Seite zu gelangen«, sagte Leoman. »Dort werden wir einen versteckten Lagerplatz finden … und Proviant, wenn er nicht geplündert worden ist.«
Die Hauptstraße der Stadt war ein staubiges Mosaik aus Töpferwaren: rotglasierte Tonscherben mit grauen, schwarzen und braunen Rändern. »Ich werde mich an das hier erinnern«, sagte Felisin, »wenn ich das nächste Mal achtlos einen Krug zerbreche.«
Heboric grunzte. »Ich kenne Gelehrte, die behaupten, sie könnten durch das Studium von solchem Schutt ganze ausgelöschte Kulturen erfassen.«
»Na, das muss aber ein aufregendes Leben sein«, sagte Felisin gedehnt.
»Ich wollte, ich könnte mit einem von ihnen den Platz tauschen!«
»Das meinst du doch nicht ernst, Heboric.«
»Nicht bei Feners Hauern, Schätzchen, ich bin nicht der abenteuerlustige Typ …«
»Am Anfang vielleicht nicht, aber dann bist du gebrochen worden. Zerschmettert. Wie dieses Tonzeug hier.«
»Ich weiß diese Beobachtung zu würdigen, Felisin.«
»Du kannst nicht wieder ganz gemacht werden, wenn du nicht zuerst zerbrochen wirst.«
»Ich stelle fest, dass du mit fortschreitendem Alter sehr philosophisch geworden bist.«
Mehr als dir klar ist. »Willst du mir etwa erzählen, dass du keinerlei Wahrheiten erkannt hast, Heboric?«
Er schnaubte. »Na gut, eine habe ich begriffen. Es gibt keine Wahrheiten. Du wirst das eines Tages auch verstehen, in vielen Jahren, wenn der Schatten des Vermummten auf dich fällt.«
»Es gibt Wahrheiten«, sagte Leoman, der vor ihnen her schritt, ohne sich umzudrehen. »Die Raraku. Dryjhna. Der Wirbelwind und die Apokalypse. Die Waffe in der Hand, das Fließen des Blutes.«
»Du hast unsere Reise nicht mitgemacht, Leoman«, grummelte Heboric.
»Eure Reise war eine Wiedergeburt – wie sie gesagt hat – und deshalb voller Schmerzen. Nur Narren würden etwas anderes erwarten.«
Der alte Mann antwortete nicht.
Umgeben von der Grabesstille der Stadt schritten sie weiter. Die Fundamente und die niedrigen Kanten der Innenmauern ließen Rückschlüsse auf die Gebäude zu beiden Seiten der Straße zu. Ein präziser geometrischer Plan war in der Anlage der Straßen und Gassen zu erkennen, ein Halbkreis konzentrischer Ringe, wobei die flache Seite vom Hafen gebildet wurde. Vor ihnen waren die Überreste eines großen, palastartigen Gebäudes zu sehen. Die gewaltigen Steine im Zentrum hatten den Jahrhunderten der Erosion besser widerstanden.
Felisin warf Heboric einen Blick zu. »Wirst du immer noch von Geistern gequält?«
»Nicht gequält, Schätzchen. Hier ist es nicht
Weitere Kostenlose Bücher