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Im Bann der Wüste

Im Bann der Wüste

Titel: Im Bann der Wüste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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Felisin.
    »Das wollte sie nicht sagen. Aber es hat sie entsetzt.«
    »Die Seherin der Apokalypse war entsetzt ?« Felisin warf Heboric einen Blick zu. Der Gesichtsausdruck des einstigen Priesters wirkte angespannt, als hätte er gerade die Bestätigung für etwas erhalten, das er schon selbst gespürt hatte. »Erzähl mir von ihren anderen Visionen, Leoman«, sagte sie.
    Der Wüstenkrieger hatte begonnen die Leichen seiner Leute auf eine Seite zu ziehen. Bei ihren Worten hielt er inne und warf ihr einen Blick zu. »Wenn Ihr das Heilige Buch öffnet, werden sie Euch zuteil werden. Dies ist Dryjhnas Geschenk … eines von vielen Geschenken.«
    »Du erwartest von mir, dass ich mich diesem Ritual unterziehe, bevor wir das Lager erreichen.«
    »Ihr müsst. Das Ritual ist der Beweis, dass Ihr tatsächlich die wieder geborene Sha’ik seid.«
    Heboric grunzte. »Und das bedeutet?«
    »Wenn sie nicht die Richtige ist, wird das Ritual sie vernichten.«
     
    Die alte Insel erhob sich wie ein abgeflachter Hügel über der geborstenen Lehmebene. Graue, verwitterte Baumstümpfe und die Überreste der üblichen Abfälle, die einst einfach über Bord geworfen worden waren, verwiesen auf Anlegeplätze und größere Piers hinter dem hin, was einst die Uferlinie gewesen war. Dort, wo einmal der schlammige Grund der Bucht gewesen war, fanden sich jetzt unzählige Dolinen, in denen zusammengepresste Schichten glitzernder Schuppen glänzten. Mappo hockte neben Fiedler und sah zu, wie Icarium sich die zusammengestürzten Überreste einer Hafenmauer emporkämpfte. Crokus stand ein Stück hinter dem Trell, dicht bei den angebundenen Pferden. Seit sie das letzte Mal Halt gemacht und etwas gegessen hatten, war der Junge merkwürdig still geworden. In seinen Bewegungen lag eine gewisse Sparsamkeit, als hätte er sich einen Eid der Geduld auferlegt. Und außerdem hatte der Daru – anscheinend unbewusst  – angefangen, Icariums Sprechweise und sein Verhalten nachzuahmen. Mappo war weder amüsiert noch ungehalten, als er es bemerkte. Der Jhag hatte schon immer eine überwältigende Präsenz besessen, umso mehr, da er sich nie verstellte.
    Trotzdem, es wäre besser für Crokus, wenn er sich Fiedler ausgesucht hätte. Dieser Soldat ist auf seine Art ein Wunder.
    »Icarium klettert, als wüsste er, wo er hinwill«, stellte der Sappeur fest.
    Mappo zuckte zusammen. »Das habe ich auch bemerkt«, gab er verlegen zu.
    »Seid ihr beide schon einmal hier gewesen?«
    »Ich noch nicht, Fiedler. Was Icarium angeht … nun, er ist schon früher durch dieses Land gewandert.«
    »Aber selbst wenn er zu einem Ort zurückkehren würde, an dem er schon einmal war – woher würde er das wissen?«
    Der Trell schüttelte den Kopf. Er hätte es eigentlich nicht wissen dürfen. Er hat es noch nie zuvor gewusst. Fangen die gesegneten Barrieren an zusammenzubrechen? Königin der Träume, ich bitte dich, gib Icarium die Freude der Unwissenheit zurück …
    »Gehen wir zu ihm«, sagte Fiedler und richtete sich langsam auf.
    »Ich würde lieber – «
    »Wie Ihr wollt«, antwortete der Soldat und marschierte hinter dem Jhag her, der in den von Dornen überwucherten Ruinen jenseits der Hafenmauer verschwunden war. Einen Augenblick später ging auch Crokus an Mappo vorbei.
    Der Trell zog eine Grimasse. Ich scheine alt zu werden, wenn ich mich von einem bisschen Verwirrung so einschüchtern lasse. Er seufzte, stand auf und trottete hinter den anderen her.
    Der Schutthang am Fuß der Hafenmauer war eine tückische Geröllhalde aus zersplittertem Holz, Gipsbrocken, Ziegelsteinen und Tonscherben. In halber Höhe machte Fiedler ächzend Halt, bückte sich und zog eine Stange aus grauem Holz aus dem Schutt. »Ich muss ein bisschen umdenken«, sagte er und schaute den Hang hinunter. »All das Holz hier ist zu Stein geworden.«
    »Es ist versteinert«, sagte Crokus. »Mein Onkel hat mir den Vorgang einmal beschrieben. Das Holz saugt sich mit Mineralien voll. Aber man nimmt an, dass das Zehntausende von Jahren dauert.«
    »Nun, ein Hohemagier, der über das D’riss-Gewirr gebietet, könnte es schneller schaffen, als du blinzeln kannst, mein Junge.«
    Mappo zog ein Stück Töpferware aus dem Haufen. Die Scherbe war himmelblau, nicht viel dicker als eine Eierschale und überaus hart. Auf der Oberfläche war der Torso einer Figur aufgemalt, schwarz mit einem grünen Rand. Das Bild wirkte steif. Es war eine stilisierte Darstellung, jedoch ohne Zweifel die eines Menschen. Er ließ

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