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Im Bann der Wüste

Im Bann der Wüste

Titel: Im Bann der Wüste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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entfernte Hochebene zuwand. Dort, wo der Wind den sandigen Boden weggefegt hatte, ragten Steine wie Knochen heraus. Der Pfad war mit rot glasierten Tonscherben übersät, die unter ihren Füßen zersplitterten.
    Der Toblakai ging als Kundschafter fünfhundert Schritt voraus und war in dem ockergelben Schleier nicht zu sehen, während Leoman Felisin und Heboric in gleichmäßigem Schritt fast wortlos weiterführte. Der Mann war erschreckend mager und bewegte sich so lautlos voran, dass Felisin angefangen hatte, ihn eher für einen Geist als für einen Menschen zu halten. Doch auch der blinde Heboric hinter ihr stolperte nicht.
    Als sie sich umdrehte, sah sie, dass er lächelte. »Erheitert dich etwas?«
    »Diese Straße ist ganz schön belebt, Schätzchen.«
    »Sind es die gleichen Geister wie in der versunkenen Stadt?«
    Er schüttelte den Kopf. »Nein, die hier sind nicht so alt. Dies sind Erinnerungen an eine Epoche, die auf das Erste Imperium folgte.«
    Bei diesen Worten blieb Leoman stehen und drehte sich um.
    Ein Grinsen ließ Heborics breiten Mund noch breiter werden. »Ah, ja, die Raraku zeigt mir ihre Geheimnisse.«
    »Warum?«
    Der ehemalige Priester zuckte die Schultern.
    Felisin musterte den Wüstenkrieger. »Macht dich das nervös, Leoman?« Das sollte es nämlich.
    Er sah sie aus dunklen, abschätzenden Augen an. »Was ist dieser Mann für Euch?«
    Ich weiß es nicht. »Mein Begleiter. Mein Historiker. Und für mich von großem Wert, da ich mich in der Raraku niederlassen werde.«
    »Die Geheimnisse der Heiligen Wüste sind nicht für ihn bestimmt. Er plündert sie, wie ein beliebiger fremder Räuber es tun würde. Wenn du die Wahrheit der Raraku zu sehen wünschst, dann schau in dein Inneres.«
    Sie hätte bei diesen Worten fast gelacht, doch sie wusste, dass die Bitterkeit in einem solchen Lachen selbst sie erschrecken würde.
    Sie marschierten weiter. Es wurde immer heißer, und der Himmel verwandelte sich in goldenes Feuer. Der Grat wurde schmaler, gab den Blick auf die Fundamente der alten Straße frei, die auf beiden Seiten mindestens zehn Fuß tiefer verankert waren. Der Abhang selbst fiel fünfzig oder sechzig Fuß ab. Der Toblakai erwartete sie an einer Stelle, an der die Straße eingebrochen war und große, dunkle Löcher entstanden waren. Aus einem davon drang das leise Tröpfeln von Wasser.
    »Ein Aquädukt unter der Straße«, sagte Heboric. »Früher floss hier ein Sturzbach.«
    Felisin sah, dass der Toblakai ein finsteres Gesicht machte.
    Leoman sammelte die Wasserschläuche ein und begann, in das Loch hinunterzuklettern.
    Heboric nutzte die Gelegenheit, um sich hinzusetzen und auszuruhen. Nach einem Augenblick legte er den Kopf ein wenig schief. »Es tut mir Leid, dass du auf uns warten musstest, Toblakai-mit-dem-geheimen-Namen … obwohl ich glaube, dass du sowieso Schwierigkeiten hättest, deinen Kopf durch das Loch da zu kriegen.«
    Der riesenhafte Wilde grinste höhnisch, entblößte dabei spitz zugefeilte Zähne. »Ich sammle Andenken von den Wesen, die ich töte. Eines Tages werde ich eins von dir haben.«
    »Er spricht von deinen Ohren, Heboric«, sagte Felisin.
    »Oh, das weiß ich, Schätzchen«, antwortete der ehemalige Priester. »Im Schatten dieses Bastards winden sich gequälte Seelen – Männer, Frauen, Kinder, alle, die er getötet hat. Sag mir, Toblakai, haben die Kinder um ihr Leben gebettelt? Haben sie geweint und nach ihren Müttern gerufen?«
    »Auch nicht mehr, als es erwachsene Männer getan haben«, sagte der Riese. Felisin sah, dass er blass geworden war, doch sie spürte auch, dass es nicht die Tatsache war, dass er Kinder getötet hatte, die ihn bedrückte. Nein, es musste irgendetwas anderes von dem gewesen sein, was Heboric gesagt hatte.
    Gequälte Seelen. Er wird von den Geistern derjenigen verfolgt, die er getötet hat. Vergib mir, Toblakai, wenn ich für dich kein Mitleid erübrigen kann.
    »Dieses Land ist eigentlich keine Heimat für einen Toblakai«, sagte Heboric. »Hat dich die Rebellion mit ihrer Aussicht auf Blutvergießen hierher gelockt? Aus welchem Loch bist du gekrochen, Bastard?«
    »Ich habe alles zu dir gesagt, was ich zu sagen habe. Wenn ich das nächste Mal mit dir spreche, werde ich dich töten.«
    Leoman tauchte wieder aus dem Loch auf. Seine zusammengebundenen Haare waren voller Spinnweben, die Wasserschläuche hingen prall gefüllt auf seinem Rücken. »Solange ich es dir nicht sage, wirst du niemanden töten«, sagte er grollend zu dem

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