Im Bann der Wüste
Sattelhorn und ließ sich zu Boden gleiten; er landete in einer Wolke aus grauem Staub. »Bleibt lieber hier«, sagte er zu den anderen. »Wir wissen nicht, wie fest der Rand ist.«
»Und warum willst du dann überhaupt hingehen?«, wollte Minala wissen.
Ohne ihr zu antworten, tastete Kalam sich vorsichtig vorwärts. Er näherte sich dem Rand bis auf zwei Schritte – nahe genug, um zu sehen, was auf dem Grund der Grube lag. Zunächst jedoch galt seine Aufmerksamkeit der gegenüberliegenden Seite. Jetzt weiß ich, worauf wir hier herumlaufen, und es hat überhaupt nichts geholfen, nicht darüber nachzudenken. Beim Atem des Vermummten! Die Asche hatte sich in mehreren Schichten abgelagert, und diese Schichten zeigten, dass das Feuer dieses Land einst mit unterschiedlichen Temperaturen und unterschiedlicher Wildheit verbrannt hatte – und alles, was sich darauf befunden hatte. Die Schichten waren auch unterschiedlich dick. Eine der dicksten lag eine Armlänge tief und wirkte fest, was sicher auch auf die verdichteten, zerschmetterten Knochen darin zurückzuführen war. Direkt darunter lag eine dünnere, rötliche Schicht, die aussah wie Ziegelstaub. Andere Schichten zeigten nur verbrannte Knochen, die mit schwarzen, weiß umrandeten Flecken gesprenkelt waren. Die wenigen Knochen, die er identifizieren konnte, schienen menschlich zu sein – wenn auch die Gliedmaßen vielleicht etwas länger waren. Die gestreifte Wand, die ihm gegenüberlag, war mindestens vierzig Fuß hoch. Wir stehen auf uraltem Tod, den Überresten von … Millionen von Lebewesen.
Langsam glitt sein Blick hinunter zum Boden der Grube. Dort standen dicht gedrängt rostige Mechanismen, alle identisch und mehr oder weniger gleichmäßig verteilt. Jeder hatte ungefähr die Größe eines Händlerwagens, und tatsächlich waren auch große, eiserne Speichenräder zu sehen.
Kalam musterte sie lange, dann drehte er sich um und kehrte zu den anderen zurück, wobei er die Armbrust entspannte.
»Und?«
Der Assassine zuckte die Schultern, zog sich wieder in den Sattel. »Am Grund liegen alte Ruinen. Merkwürdige Ruinen – ich habe bisher nur ein einziges Mal etwas Ähnliches gesehen, in Darujhistan, in dem Tempel, der Icariums Kreis der Jahreszeiten beherbergt, von dem man sich erzählt, dass er das Verstreichen der Zeit messen soll.«
Keneb grunzte.
Kalam warf dem Mann einen Blick zu. »Ist irgendwas, Hauptmann?«
»Nur ein Gerücht, sonst nichts. Und es ist auch schon mehrere Monate alt.«
»Was für ein Gerücht?«
»Oh, dass Icarium gesehen wurde.« Keneb runzelte plötzlich die Stirn. »Was weißt du von den Drachenkarten, Korporal?«
»Genug, um einen großen Bogen um sie zu machen.«
Keneb nickte. »Damals ist ein Seher bei uns durchgekommen. Ein paar Mitglieder meiner Truppe wollten sich die Karten legen lassen. Es hat damit geendet, dass sie ihr Geld zurückbekommen haben, denn der Seher ist nie über die erste Karte hinausgekommen. Er war nicht sonderlich überrascht, wenn ich mich recht entsinne. Hat gesagt, das wäre schon seit Wochen so, und dass es nicht nur ihm so ginge, sondern allen, die versuchen, die Drachenkarten zu lesen.«
Leider habe ich dieses Glück nicht gehabt, als ich die Drachenkarten das letzte Mal gesehen habe. »Welche Karte war es denn?«
»Ich glaube, es war eine von den neutralen. Wie heißen die noch mal …?«
»Auge, Thron, Zepter, Obelisk – «
»Obelisk! Das war die Karte! Der Seher hat gesagt, es läge an Icarium, und dass er in der Pan’potsun-Odhan gesehen worden wäre, zusammen mit seinem Freund, dem Trell.«
»Spielt irgendwas davon eigentlich eine Rolle?«, wollte Minala wissen.
Obelisk … Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft. Zeit – und die Zeit hat keine Verbündeten … »Wahrscheinlich nicht«, erwiderte der Assassine.
Sie ritten weiter, umgingen die Grube in sicherem Abstand. Noch mehr Spuren im Staub kreuzten ihren Weg; nur die wenigsten sahen so aus, als hätten Menschen sie verursacht. Obwohl es schwer zu sagen war, schienen sie doch in eine Richtung unterwegs zu sein, die genau entgegengesetzt zu jener lag, die Kalam gewählt hatte. Wenn wir uns tatsächlich Richtung Süden bewegen, dann sind die Wechselgänger und Vielwandler alle nach Norden unterwegs. Das ist einerseits beruhigend, andererseits – wenn noch mehr Gestaltwandler unterwegs sind, werden wir genau in sie hineinlaufen.
Tausend Schritte später stießen sie auf eine abgesunkene Straße. Wie die Mechanismen in der Grube
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