Im Bann der Wüste
– wenn man davon ausgeht, dass diese Kreaturen überhaupt so etwas wie Ärger empfinden können –, dass sich die Bewohner dieser Stadt so dreist einen Titel zugelegt haben, der in Wirklichkeit den Imass gebührte. Doch was sie wirklich angezogen hat, war das Ritual – und das Bedürfnis, die Dinge in Ordnung zu bringen.«
Kulp legte sein zerschlagenes Gesicht in nachdenkliche Falten. »Unsere Scharmützel mit Wechselgängern … und dann die Imass. Was beginnt da aufs Neue, Heboric?«
»Ich weiß es nicht, Magier. Eine Rückkehr zu jenem alten Tor? Eine weitere Entfesselung ungeahnter Kräfte?«
»Der Wechselgänger-Drache, dem wir gefolgt sind … er war untot.«
»Es war ein T’lan Imass«, erklärte der Ex-Priester. »Ein Knochenwerfer. Vielleicht der Wächter des alten Tores, der noch einmal heraufbeschworen wurde, als Antwort auf eine bevorstehende Katastrophe. Sollen wir weitergehen? Ich kann Wasser riechen – die Quelle, die wir suchen, gibt es noch immer.«
Der Teich lag in der Mitte eines Gartens. Blasses Unterholz bildete eine Art Teppich über den zerborstenen Fliesen, mit denen der Fußboden bedeckt war; weiße und rosafarbene Blätter, die an Fleischstücke erinnerten, farblose Kugeln, eine Art von Früchten, die an Weinreben wuchsen, welche sich um steinerne Säulen und versteinerte Baumstümpfe wanden. Ein Garten, der in der Dunkelheit blühte.
Blinde weiße Fische flitzten durch den Teich; sie suchten nach Schatten, als das magische Licht über ihnen erstrahlte.
Felisin fiel auf die Knie, streckte zitternde Arme aus, tauchte die Hände ins kühle Wasser. Das Gefühl, das sie durchzuckte, war beinahe ekstatisch.
»Die Überreste alchemistischer Mittel«, sagte Heboric hinter ihr.
Sie drehte sich um. »Was meinst du?«
»Es wird … einen zusätzlichen Nutzen haben … diesen Nektar zu trinken.«
»Ist diese Frucht genießbar?«, wollte Kulp wissen und wog bei diesen Worten eine der blassen Kugeln in der Hand.
»Das war sie, als sie noch leuchtend rot war – vor ungefähr neuntausend Jahren.«
Dicke Aschewolken hingen bewegungslos hinter ihnen über dem Pfad, so weit Kalam sehen konnte – was nicht viel bedeuten musste, da es im Imperialen Gewirr alles andere als leicht war, Entfernungen abzuschätzen. Ihre Spur schien so gerade zu verlaufen wie ein Speerschaft. Sein Stirnrunzeln wurde heftiger.
»Wir haben uns wirklich verirrt«, sagte Minala und lehnte sich im Sattel nach hinten.
»Das ist immer noch besser, als tot zu sein«, murmelte Keneb und bekundete dem Assassinen mit diesen Worten zumindest etwas Sympathie.
Kalam spürte den Blick aus Minalas harten grauen Augen auf sich ruhen. »Schaff uns aus diesem vom Vermummten verfluchten Gewirr raus, Korporal. Wir haben Hunger, wir haben Durst, und wir haben keine Ahnung, wo wir sind. Schaff uns hier raus!«
Ich habe Aren vor meinem geistigen Auge heraufbeschworen, ich habe mir eine ganz bestimmte Stelle ausgesucht – eine unauffällige Nische am Ende der letzten Biegung der Keine-Hilfe-Gasse … nicht weit von der Neige, diesem Schuppen im Hafenviertel, wo die ausgebürgerten Malazaner immer herumhängen. Ich habe mir alles vorgestellt, bis hin zu den Pflastersteinen unter meinen Füßen. Warum kommen wir also nicht hin? Was blockiert uns? »Noch nicht«, erwiderte Kalam. »Es ist ein weiter Weg nach Aren, auch wenn man mittels eines Gewirrs reist.« Das klingt doch wirklich vernünftig. Warum dann all dieses Unbehagen?
»Irgendwas stimmt nicht«, ließ Minala nicht locker. »Ich kann es an deinem Gesicht sehen. Wir müssten inzwischen längst da sein.«
Der Geschmack von Asche, ihr Geruch, wie sie sich anfühlte – all das war inzwischen zu einem Teil von ihm geworden, und er wusste, dass es den anderen genauso ging. Das leblose Zeug schien selbst seine Gedanken zu beflecken. Kalam hatte einen bestimmten Verdacht, was die Asche früher einmal gewesen war – der Knochenhaufen, über den sie bei ihrem Eintritt in das Gewirr gestolpert waren, war nicht der einzige geblieben –, doch er scheute davor zurück, diesen Verdacht sich selbst gegenüber einzugestehen. Die Möglichkeit war zu grässlich, zu überwältigend, um länger darüber nachzudenken.
Keneb grunzte, dann seufzte er. »Also, Korporal, sollen wir weitergehen?«
Kalam warf dem Hauptmann einen Blick zu. Das Fieber, das von »einer Kopfwunde hergerührt hatte, war verschwunden, doch seine Bewegungen waren kaum merklich verlangsamt, seine Sprechweise leicht
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