Im Bann des Feuers Drachen2
liegende Position eines Drachenreiters einnahm.
»Nein!«, kreischte ich. Dann verschwand der Boden unter mir mit einem solch gewaltigen Ruck, dass ich einen Augenblick glaubte, der Inquisitor hätte mir mit seiner Klinge den Kopf vom Rumpf abgetrennt.
Ich flog.
Gewaltige Schwingen peitschten neben uns die Luft, schienen den Himmel herunterzudrücken, trugen uns hinauf. Unter mir arbeiteten die mächtigen Drachenmuskeln. Ich wurde nach vorn und zur Seite geschleudert, hatte das Gefühl, als würde ich jeden Augenblick abgeworfen. Um mich herum waren nur der Lärm und das Wogen des Drachen.
Ich suchte Halt am Hals des Drachen, bekam stattdessen seine knorpelige Haut zu packen und hielt mich aus Leibeskräften daran fest. Ich gab dem Gewicht des Inquisitors nach, so dass ich flach auf das Rückgrat des Drachen gepresst wurde. Doch bei jedem Schwingenschlag ruckte auch der Körper des Inquisitors. Wenn er jetzt fiel und mich mit sich in die Tiefe riss?
»Ich falle!«, schrie ich, aber der Wind verwehte meine Worte. Ich hielt den Atem an und presste meine Wange an den Drachen unter mir.
Plötzlich geschah etwas Seltsames in mir, etwas Brutales rührte sich, als würde eine unsichtbare Faust, die hinter meiner Leber und meinem Zwerchfell verborgen gewesen war, plötzlich nach außen drängen, zu meinem Bauchnabel. Gleichzeitig lief ein eiskalter Schauer über meinen Unterleib, und der Geschmack von Schwefel überzog meine Zunge.
Mutter. Ihr Geist. Ich verließ Brutstätte Re, und dadurch fesselte ich ihren Geist in meiner Psyche.
Ich versuchte, mich aufzurichten. »Nein, nein, wir müssen zurückreiten; halt, halt!«
Der Inquisitor schlug mir mit seiner Handwurzel ins Genick. »Bleib ruhig liegen, sonst stürzen wir beide in den Tod!«
Der Geist tobte in mir. Ich biss die Zähne zusammen, kämpfte gegen dieses aufdringliche Wüten, hielt mich an dem Drachen fest und schloss die Augen, während seine gewaltigen Schwingen die Luft peitschten.
Eine Ewigkeit später hörte der mächtige Flügelschlag auf. Ich öffnete erschreckt die Augen und spannte mich an, in Erwartung des Sturzes.
Ich konnte nichts erkennen; nur kalte, feuchte Dunkelheit, die mir das Mark aus den Knochen zu saugen schien. Ich hob meine Wange ein Stück. Unter den ausgestreckten Schwingen des Drachen sah ich nur Finsternis. Ich drehte den Kopf. Auf der anderen Seite war ebenfalls alles dunkel.
Nein. Da, ein dünnes, silbriges Band, das ich zunächst nicht identifizieren konnte. Dann begriff ich, dass es sich um einen Fluss handelte.
»Lieg still!«, blaffte der Inquisitor und stieß meinen Kopf herab, damit ich wieder flach lag. Dann knallte es neben uns, als die Drachenschwingen erneut die Luft peitschten. Ich klammerte mich verzweifelt an der Drachenhaut fest, als wir heftig schaukelten.
Nach einigen Schlägen glitt der Drache erneut mit reglos ausgebreiteten Schwingen durch die Luft. Der Wind pfiff über meinen Kopf hinweg.
Der schreckliche Flug dauerte an, bis ich vollkommen von feuchtem Nebel bedeckt war und vor Kälte zitterte. Ich hatte jedes Gefühl in meinen Händen und Unterschenkeln verloren.
Der Inquisitor beugte sich vor und zurück, je nachdem, wie er die Zügel hielt, und streckte die Arme schließlich neben dem Hals des Drachen aus.
Der heftig schnaubte.
Ich versteifte mich. Die Kräfte der Drachenkuh erlahmten sichtlich.
Kurz darauf brüllte der Inquisitor seinem Reittier etwas zu, veränderte die Position seiner Beine und beugte die Arme. Der Drache tauchte plötzlich zur Erde hinunter. Wir landeten.
Ich hielt mich an den knorpeligen Buckeln der Haut fest, konnte vor Anspannung kaum atmen und kniff die Augen fest zusammen. Wir sanken so steil, dass ich froh über das Gewicht des Inquisitors war, der mich auf den Drachen herabdrückte. Ich war überzeugt, dass ich sonst von dem Rücken gerutscht wäre und nur noch in den Stricken gebaumelt hätte, mit denen ich an den Drachen gefesselt war.
Wir sanken weiter, und ich bemerkte ein flackerndes Licht unter uns: Ein Signalfeuer auf einer Klippe.
Der Drachen drehte unvermittelt ab und flog auf das Licht zu. Die Schwingen nahmen ihre Arbeit wieder auf. Ich hatte keine Ahnung gehabt, dass ein Flug so brutal, solch ein Kampf war. Alles war ständig in Bewegung, ein Chaos aus Lärm und arbeitenden Muskeln. Und dann roch ich den Dschungel, nahm den feuchten, erdigen Geruch von verrottendem Farn wahr, von Pflanzensaft, Blättern, Knospen und Blüten. Die Luft wurde wärmer, da
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