Im Bann des Feuers Drachen2
wir uns dem Signalfeuer auf der Klippe näherten.
Die Drachenkuh schlug schnell und heftig mit ihren Schwingen, als sie ihre Position veränderte, Hals und Brust hob und ihre Hinterbeine beinahe senkrecht nach unten streckte.
»Halt dich gut fest! Wir landen!«, brüllte mir der Inquisitor ins Ohr.
Plötzlich gab es eine gewaltige Erschütterung, eine Art von abgefedertem Aufprall, und wir landeten.
Ich sah mich um, zitternd, als hätte ich Schüttellähmung.
Ein Stück von uns entfernt standen Männer mit Fackeln in den Händen. Sie bildeten einen Kreis. Einer von ihnen trat vor und reichte dem Inquisitor seine Fackel. Er trug keine Tempelkleidung, sondern nur eine ausgefranste Tunika aus Hanf, die bis kurz über sein Knie reichte. Er hatte ein rundes, weiches Gesicht und einen recht dicken Bauch. Wie betäubt musterte ich ihn, als er die Fesseln um meine Fuß- und Handgelenke löste.
»Absteigen!«, befahl er mit einer merkwürdig süßlichen, hellen Stimme.
Ein Eunuch. Der Mann war ein Eunuch!
Ich war so erschöpft, dass ich keine Kraft mehr aufbringen konnte, um Gegenwehr zu leisten. Ich gehorchte und stieg ab.
Meine Knie gaben nach, als meine Füße den Boden berührten. Aber ich fiel nicht, sondern sackte nur gegen die bebende Flanke des Drachen. Der Eunuch schnalzte mit der Zunge und richtete mich auf. Der Griff seiner pummeligen Hand, mit der er meinen Oberarm packte, war fest, aber nicht schmerzhaft.
Er schob mich vorwärts, in den Kreis der Fackeln.
Die Männer hatten buschige Augenbrauen und Hakennasen. Streng wirkende Münder in dichten, gepflegten Bärten. Ihr Haar war makellos geölt und zu den vielen Zöpfen geflochten, die einem hohen Tempelwächter anstanden.
Ein Gesicht unter ihnen kam mir bekannt vor, eine unbeteiligte Miene über den zahllosen Hautfalten eines Kinns, darunter ein breitschultriger, korpulenter Leib: der Ranreeb, der Heilige Vorsteher des Brutkollektivs, zu dem auch Brutstätte Re gehörte. Ich kannte ihn von den Mombe Taro-Paraden in meiner Jugend; Mutter hatte ihn mir immer gezeigt.
»Das ist sie«, brummte der Ranreeb. Seine Stimme schien aus seinem gewaltigen Bauch zu kommen, und er starrte mich eindringlich an. »Schafft sie näher zu mir!«
Der Eunuch zerrte an meinem Arm, bis ich direkt vor dem Ranreeb stand.
Die Fackel des Heiligen Vorstehers wärmte meine Wangen und tauchte mich in ihr gelbliches Licht.
Über den Falten seines Kinns erwiderte der Ranreeb gleichgültig meinen Blick, als ich zu ihm hinaufstarrte. Der Geruch von Weihrauch, der ihn umhüllte, war so stark, dass ich den Duft fast schmecken konnte, als würde ich auf einem der gelben Harzkörner kauen.
Er musterte mein Gesicht. Ich hätte den Blick senken sollen, tat es jedoch nicht.
»Dieser Schüler hat die Wahrheit gesagt«, brummte der Ranreeb schließlich. Meine Brust vibrierte unter dem Klang seiner Stimme, als würden Felsbrocken auf meinen Körper herunterprasseln. »Seht ihre Augen. Sie kennt Drachen.«
Der Kreis der Männer zog sich um mich zusammen. Ihre Fackeln zischten und blakten. Der Eunuch packte mein Kinn und drehte meinen Kopf hin und her, damit die Versammelten mich ausgiebig betrachten konnten.
»Drachenaugen«, murmelte einer der Drachenjünger. Er klang angewidert und gleichzeitig zufrieden.
Drachenaugen.
Plötzlich fühlte ich mich in den Drachenkonvent Tieron zurückversetzt, in das Refugium für die ausgemusterten Bullen, denen ich seit meinem zehnten Lebensjahr gedient hatte. Die Konventälteste, die ich Gelbgesicht genannt hatte, wegen der Farbe ihrer von Gelbsucht gezeichneten Haut, stand wieder vor mir, sagte mir Lebewohl, als ich vor dem bevorstehenden Besuch der Tempelinquisitoren aus dem Konvent floh.
»Aber bedenkt«, hatte Gelbgesicht zu mir und Kiz-dan gesagt, während sie mit einer Blase Drachengift herumspielte, die sie mir geben wollte, »es brandmarkt euch. Eure Augen, wisst ihr. Jeder, der etwas von Drachen versteht, wird sehen, wie viel Gift ihr genommen habt, und jeder, der von dem Ritus weiß, wird erraten, wie intim ihr des Giftes teilhaftig geworden seid.«
Drachenaugen. Gelbgesicht hatte sie gehabt. Blutunterlaufene Augen mit unnatürlich kleinen Pupillen. Augen, die starr waren, wenn sie einen ansahen. Augen, die nur langsam blinzelten, und dazu selten. Eben wie die eines Drachen.
Ich schloss die Augen, damit die Umstehenden mich nicht länger anstarren konnten.
Natürlich vergeblich. Sie wussten es.
Dono hatte es ihnen verraten: Ich hatte
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