Im Bann des Mondes
Hände hinunter, als würde er sich erst jetzt bewusst werden, dass sie einander festhielten. Ein Anflug von Verwirrung huschte über sein Gesicht, dann flatterten seine Nasenflügel und er zog ihre Hand an seinen flachen Bauch. Sein Blick aus blauen Augen richtete sich auf den Mann vor ihnen.
»Ich kann mich nicht erinnern, extra bezahlt zu haben, um die schöne Umgebung zu betrachten, Clive.« Trotz der zur Schau gestellten Freundlichkeit lag ein warnendes Funkeln in seinen Augen.
Clive zuckte zusammen und legte sich beim nächsten Ruderschlag besonders ins Zeug. Die Paddel tauchten in das braune Wasser, und das Boot glitt mit einem leisen Rauschen durch den leichten Nebel. »Für bevorzugte Kunden ist die Betrachtung der Landschaft im Preis inbegriffen, Chef.«
Northrups gerade, scharfe Zähne blitzten auf. »Bring uns jetzt einfach nur schnell hin, ehe ich mein Frühstück verliere.«
Clive gackerte gut gelaunt. »Sie waren noch nie ein guter Seemann, was, Mylord?«
Erst da bemerkte Daisy, dass Northrups Gesicht eine gräuliche Tönung angenommen hatte, aber das spielte jetzt keine so große Rolle mehr, weil vor ihnen im Nebel der große, dunkle Kahn auftauchte, der sanft im langsam fließenden Wasser schaukelte. Clive legte mit dem Ruderboot längsseits an.
Seepocken und glitschige Algen klebten an dem alten Schiffsrumpf, und das Knacken und Ächzen des Kahns hallte unheimlich über das Rauschen und Plätschern des Flusses. Eine Leiter aus angegrauten Seilen und nicht gerade vertrauenerweckenden, verwitterten Holzstäben baumelte an der Seite herunter, und Daisy verfluchte im Stillen die Mode, die derzeit schmale Röcke vorschrieb.
Sie war dankbar, dass Northrup als Erstes hochkletterte, denn die Vorstellung, allein an Bord des unheimlichen Kahns zu steigen, übte keinen sonderlichen Reiz auf sie aus. Leichtfüßig und gewandt erklomm er die Leiter, stieg über die Reling und ward nicht mehr gesehen. Nach einem Moment streckte er den Kopf über den Rand und schenkte ihr ein ermutigendes Lächeln.
»Hoch mit dir, altes Mädchen, sonst läufst du Gefahr, das Beste zu verpassen.«
Mit wütend in die Seite gestemmten Armen sah sie zu ihm hoch. »Nenn mich noch einmal ›Altes Mädchen‹ und du kannst sehen, wo du bleibst.«
Northrup zwinkerte ihr zu. »Ich bin mir sicher, dass Clive dir gern noch einmal alle Sehenswürdigkeiten, die es auf der Themse gibt, zeigen würde, nicht wahr, Clive?«
»Es wäre mir ein großes Vergnügen, Mylord«, rief Clive zurück, und seine feuchten Augen funkelten bei dieser Aussicht, während er Daisy liebäugelnd ansah.
Northrup streckte seine Hand aus. Mit Mordgelüsten im Blick packte Daisy die Leiter.
Während Clive die Strickleiter unten festhielt, und Northrup von oben freche Vorschläge machte, gelang es ihr hochzuklettern. Und obwohl sie ihm am liebsten einen festen Tritt verpasst hätte, ergriff sie Northrups warme Hand und stolperte aufs verlassene Deck.
»Es ist keiner da«, sagte sie und ließ zu, dass er einen Arm um ihre Taille legte und sie an sich zog. An Bord war die feuchte Luft kühler … ein frostiger Hauch, der über sie strich und sich um ihre Knöchel legte.
Ein dunkles Knurren drang aus den Tiefen von Northrups Brust, und sein Blick ruhte nicht auf ihr, sondern auf dem leeren Deck. »Oh doch, es ist jemand da, und wenn alle eine heile Kehle behalten wollen, sollten sie jetzt ganz schnell verschwinden.«
Nach dieser ziemlich seltsamen Bemerkung erhob sich eine leichte Brise und plötzlich wurde es wärmer.
Mit einem ärgerlichen Schnauben führte Northrup sie übers Deck. Ihre Schritte hallten hohl von den feuchten Planken wider, während sie sich der Kapitänskajüte näherten.
Die Tür schwang federleicht auf, und Daisy trat in eine wahre Flut aus Farben und Licht. Die Wände waren mit safrangelbem Seidendamast bespannt, der im Schein von einem Dutzend marokkanischer Lampen wie Feuer leuchtete. Ihre Schritte wurden von den dicken, bunten Teppichen gedämpft, die im Osten geknüpft worden waren. Vor ihnen stand ein großer vergoldeter Tisch, auf dem ein verschwenderisch üppiges Buffet angerichtet war. Der üble Gestank des Flusses wich dem Duft von frisch gebratenem Roastbeef und warmen Brötchen. Unwillkürlich musste sie blinzeln.
»Lord Northrup«, ertönte eine tiefe Stimme vom anderen Ende des Raumes. »Genau rechtzeitig … wie immer. Und einen Gast hast du auch mitgebracht.«
Erst jetzt bemerkte sie die Gestalt, die entspannt auf
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