Im Bann des Mondes
Er liebt dich so sehr.«
»Ich weiß.« Und dieses Wissen gab Daisy die Kraft, zu ihm zu laufen.
Clemens war völlig außer sich, als sie ankam. Der bleiche Schankwirt ging vor seiner Wirtschaft auf und ab, während er die Hände rang und etwas über verrückte Adlige vor sich hinmurmelte.
»Er hat alle rausgeschmissen«, erzählte Clemens ihr. »Er ließ mir von seinem Diener einen Beutel Münzen geben und erklärte, er würde das ganze Haus für den Abend mieten.«
Daisy wollte schon hineingehen, als er sich ihr in den Weg stellte. »Er ist nicht ganz bei sich, Mädchen. Ich fürchte um deine Sicherheit.«
Eigentlich hatte sie ihn nur leicht berühren wollen, aber dann schob sie Clemens in ihrer Eile einfach zur Seite. »Ich habe nichts von ihm zu befürchten.«
Er saß an ihrem gemeinsamen Tisch. Eine einsame Gestalt, die fast im Dunkeln in der ausgestorbenen Schänke hockte. Wegen Clemens warnender Worte befürchtete sie, er könnte getrunken oder vielleicht die ganze Wirtschaft zertrümmert haben. Doch er saß einfach nur allein und ruhig da. Die Ellbogen hatte er auf den Tisch gestützt und den Kopf in den Händen vergraben, sodass er sie nicht kommen sah. Einen Moment lang fragte sie sich, ob er wusste, dass sie da war.
»Raus hier. Aber dalli.«
Der schroffe Befehl ließ sie abrupt innehalten, und ihr Magen zog sich zusammen.
Ian hob nicht den Kopf, um sie anzusehen, sondern redete einfach nur mit lebloser, flacher Stimme. »Es ist mir egal, wer Sie sind oder was Sie wollen. Ich habe für den Raum bezahlt. Also verschwinden Sie.«
Ihre zitternden Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. Lächerlich in solch einem Moment, aber entweder das oder weinen. »Ian«, wisperte sie.
Sein schlanker Körper spannte sich so stark an, dass jeder einzelne Muskel an Schultern und Armen deutlich durch das Hemd zu erkennen war. Seine Brust hob sich, als er tief Luft holte, und sie war sich ganz sicher, dass er ihren Duft erkannte. Mit einem Zischen stieß er die Luft wieder aus. Langsam, als hätte er Angst zu schauen, ließ er die Hände fällen und hob den Kopf.
Seine himmelblauen Augen waren blutunterlaufen. Dichte Bartstoppeln bildeten Schatten auf Wangen und Hals. Ein Fleck – vielleicht Whiskey – zeichnete sich vorn auf seinem zerknitterten Hemd ab. Er sah entsetzlich aus. Er sah wundervoll aus.
Sie rechnete damit, dass er zu ihr kommen würde, doch er bewegte sich nicht. Er musterte sie nur unendlich lange mit großen Augen und gequältem Blick, während seine Unterlippe zuckte. Daisy widerstand dem Drang herumzuzappeln. Das Blut floss schmerzhaft zäh durch ihre Adern, und die Schmerzen in ihrer Brust ließen nicht nach. Einerseits wäre sie am liebsten weggerannt, aber andererseits wollte sie sich genauso gern in seine Arme stürzen.
Seine krächzende Stimme beendete die Stille. »Du warst gegangen.« Vor Schmerz verzog sich sein Gesicht. »Ich dachte, du hättest …« Er biss sich auf die Unterlippe und schluckte hörbar.
Mit den Fäusten umklammerte sie den Stoff ihres Rocks, um ruhig zu bleiben. »Ich weiß. Es tut mir leid, Ian. So leid.«
Ian blinzelte, als hätte sie ihm mit ihren Worten einen Schlag versetzt. »Wo bist du hingegangen?« Seine Zähne schlugen aufeinander. »Warum hast du mich nicht geweckt?«
Daisys Hand glitt nach oben und legte sich auf ihre Brust. Wie konnte es sein, dass ihr das Herz immer noch wehtat? »Ich …« Sie brachte nicht den Mut auf weiterzusprechen.
»Warum stehst du da rum?«, fragte er ruhig, ohne sich zu rühren. Er schien kaum zu atmen. »Hast du also doch Angst vor mir?«
Sie ging einen Schritt auf ihn zu. »Niemals.«
Er biss die Zähne zusammen und wandte den Blick ab. »Vielleicht solltest du das aber. Ich bin gerade ziemlich gereizt.«
»Du wirkst aber gar nicht so.«
Er lachte freudlos auf. »Nur so als Empfehlung für die Zukunft, Daisy … ein Wolf ist immer gefährlich, wenn er ganz ruhig erscheint.« Sein Mund verzog sich zum Zerrbild eines Lächelns, während sich seine Hände zu Fäusten ballten. »Und ich bin nicht in der Stimmung, dir nur den Hintern zu versohlen.«
Er klang so verletzt, dass ihr Tränen in die Augen stiegen. Sie würde es wieder gutmachen. Mit allem, was sie hatte, würde sie ihm das Gefühl geben, geliebt und geschätzt zu werden.
»Du jagst mir immer noch keine Angst ein, Ian Ranulf.«
Vor Schmerz schloss er kurz die Augen. Als er sie wieder öffnete, leuchteten sie strahlend blau. »Dann komm her.« Knurrend
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