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Im Bann des Mondes

Im Bann des Mondes

Titel: Im Bann des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristen Callihan
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leicht gesehen werden, und davon abgesehen wollte sie es auch gar nicht mehr.
    »Ganz ruhig, Süße.« Raue Finger glitten über ihre Schenkel.
    »Ich will wieder rein.«
    »Entspann dich«, sagte er.
    Sie versuchte, ihn wegzudrücken. »Rein.«
    »Versuch ich ja«, meinte er lachend.
    Sie drehte den Kopf, um sich ihm zu entziehen, und ihr Blick erhaschte etwas links von seiner Schulter. Graue Seidenröcke, deren Säume im Wind flatterten, ein ausgestreckter, blasser Arm, der um Hilfe zu flehen schien, das Funkeln von Diamanten an einem weißen Hals, große Augen mit gebrochenem Blick. Und Blut … so viel Blut, das im Mondlicht schwarz schimmerte. Daisys Verstand versuchte, den Anblick, der sich ihren Augen bot, zu erfassen und ihm einen Sinn zu geben. Alex. Alex’ aufgerissener Leib. Und etwas, das sich über Alex beugte, das Gesicht in den Eingeweiden vergraben hatte und so wirkte, als würde es an dem Körper schnüffeln. Ein Schrei erstarrte in Daisys Kehle – so kalt und fest, dass sie ihn nicht herausbrachte. Entsetzen breitete sich in ihr aus und gab ihr die Kraft, ihren Liebhaber wegzustoßen.
    »Was zum Teufel soll das?«, fragte er.
    Ein leises Wimmern kam über ihre Lippen, während sie nach vorn taumelte. Ihr Begleiter drehte sich um. Als hätte man ihm etwas zugerufen, hob das Geschöpf den Kopf. Blut tropfte von seinem Kinn, und Daisy schrie. Knurrend erhob es sich auf die Hinterbeine, die so lang wie die eines Menschen waren. Ihr Galan wich taumelnd zurück und brüllte vor Angst, als das Monster angriff.
    Daisys Kopf prallte gegen die Backsteinmauer. Etwas Heißes, Nasses spritzte ihr über Wange und Hals. Ein schwerer Leib stürzte zuckend und um sich schlagend auf sie und drückte sie auf den harten Boden. Und dann waren da nur noch die Schreie, Schrei um Schrei reinen, unverfälschten Entsetzens. Sie schlugen wie eine Woge über ihr zusammen, raubten ihr den Verstand und zogen sie nach unten in die kühle Umarmung der Dunkelheit.
    Nicht weit entfernt …
    Sechs Huren, bei denen er sechsmal versagt hatte, würden auch den zuversichtlichsten Mann schließlich die Flinte ins Korn werfen lassen. Man konnte durchhalten, aber irgendwann war es nur noch eine demütigende Erniedrigung. Ian wusste, dass er diesen schmalen Grat etwa bei Hure Nummer Drei überschritten hatte. Also gab es keinen Sex mehr. Sein Vater hätte es ohnehin als Unzucht bezeichnet.
    »Gottverdammter Bockmist!« Ians Fluch verhallte ungehört unter dem nächtlichen Himmel und löste sich wie Wasserdampf in der kühlen, sauberen Luft von Hampstead Heath auf.
    Fluchend und schwitzend rannte er schneller, und seine Füße donnerten über den weichen Boden. Niederlagen hatte er noch nie gut hinnehmen können. Schlimmer noch war aber, dass ihm jetzt nichts anderes mehr geblieben war als dies … Rennen, seinen Körper bis an die Grenzen der Belastbarkeit zu bringen. Er unterdrückte einen weiteren heftigen Fluch und lief noch schneller. Das Blut strömte wie geschmolzenes Glas durch seine Adern, während seine Beine um Gnade flehten. Nur hier fühlte er sich wirklich lebendig.
    Über ihm schwebte die große, dunkle Kuppel des Nachthimmels. In der Ferne lag London, das eine zerklüftete Landschaft aus Kirchtürmen und planlos verteilten Gebäuden bildete, getaucht in das silbrige Licht des Mondes. Der Hauch einer Empfindung glitt kribbelnd über seine Haut. Der Mond. Diese prächtige Verführerin. Die Kraft, die sie ausstrahlte, durchströmte ihn wie Wein. Sie beflügelte ihn, trieb ihn an, und das Tier in ihm regte sich.
    Jahrzehntelang hatte Ian diese Seite von sich ignoriert. Er hatte sein Tier so fest im Zaum gehalten, dass es zu einem blassen Schemen in seinem Geist verkümmert war. Und er hatte darunter gelitten. War schwach und antrieblos geworden. Jetzt hallte das Heulen seines Tieres durch seinen Kopf und wurde immer lauter und kräftiger.
    Irgendwie genoss er das Regen des Tieres. Warum auch nicht? Alles andere, was ihm sonst Vergnügen bereitet hatte, war ihm nicht mehr vergönnt. Warum sollte da nicht zumindest das Tier ein bisschen Freude haben? Warum es nicht herauslassen, damit es spielen konnte? Schon während ihm der Gedanke kam, begehrte ein angeborener Selbsterhaltungstrieb auf. Er hatte nicht hundertdreißig Jahre seines Lebens mit sich gerungen, um sich jetzt durch eine kleine Versuchung der totalen Vernichtung anheimzugeben.
    Ian stieß einen weiteren Fluch aus, ehe er sich Richtung London wandte und der Wildnis, die

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