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Im Bann des Mondes

Im Bann des Mondes

Titel: Im Bann des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristen Callihan
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Nägel in sein Fleisch bohrten. Ein leiser Windhauch ließ sein Haar wehen, als er zum wogenden, schwarzen Fluss hinunterschaute. Fliegen. Er könnte es tun. Wenn er landete, würde sein Kopf zwar aufplatzen, er aber weiterleben, denn nicht einmal dann würde er sterben. Ein ersticktes Lachen verließ seinen Mund, während er sich vorstellte, dass er wie eine zerbrochene Marionette auf dem Pflaster lag und warten musste, bis sein Körper langsam wieder heilte.
    Hatte es sich für Maccon wie Fliegen angefühlt?
    Maccon. Am Rande seines Gesichtsfeldes wollte sich Schwärze ausbreiten, doch er drängte den Namen und die Gefühle, die damit einherkamen, brutal zurück in die dunklen Kammern seines Herzens. Er würde nicht darüber nachdenken. Nie wieder.
    Ian hatte viel Übung damit, diesen besonderen Schmerz zu ignorieren, sodass die Dunkelheit schnell wieder wich. Schon seltsam … war es doch diese Anpassungsfähigkeit, die ihn zu einem Leben in Apathie verdammte. Seufzend begab er sich an den Rand des Turms und holte tief Luft, um sich wieder zu beruhigen.
    Doch Ruhe war ein in dieser Nacht schwer zu fassendes Ding. Die Ruhelosigkeit hatte Ian aus Daisys Bett und nach hier oben getrieben, wo er nachdenken konnte.
    Wie ein Gewicht aus Blei lag die Anstecknadel mit dem Mondstein in seiner Tasche und zog ihn nach unten. Er wollte sie nicht anschauen oder auch nur berühren, denn allein schon ihr Anblick beunruhigte ihn. Das letzte Mal, als er seine Nadel gesehen hatte, war sie mit Maccon zu Grabe getragen worden. Conall hatte auch eine. Aber er würde sich nicht freiwillig davon trennen. Warum hatte sie dann also an der Leiche der Frau gesteckt? Hatte Conall gewollt, dass man sie fand? Hatte er ihn damit verhöhnen wollen? Und wenn ja, warum?
    Es spielte keine Rolle. Was immer Conall im Sinn hatte … er war mit in diesen Wahnsinn verwickelt. Und das war für Ian wie ein Schlag in die Magengrube.
    Resignation machte sich in ihm breit. Er wusste, was getan werden musste. Und wenn es ihn seine Seele kosten sollte, dann war das eben so, denn er konnte dieses Leben im Dämmerzustand nicht mehr ertragen. Aber er brauchte einen Plan. Er brauchte Verbündete, aber nicht die verdammte Polizei, die ihn nur würde überwachen wollen.
    Eines war sicher: Er musste Daisy beschützen, bis das hier alles vorbei war. Ian atmete tief ein und setzte sich auf. Zum ersten Mal seit Jahren brauchte ihn jemand. Plötzlich hatte er das Gefühl, wieder ein Ziel vor Augen zu haben. Er fühlte sich lebendig. Er brachte die Tage nicht mehr nur einfach hinter sich, sondern spürte, wie Tatendrang sein Blut in Wallung brachte.
    Ian legte den Kopf in den Nacken und sah zum Mond und den spinnwebfeinen Wolken auf, die vorüberzogen. Der Himmel wirkte so fest und nah, dass er meinte, er könnte seine Hand hineintauchen und hätte dann tintenschwarze Fingerspitzen. Lebendig. Der Wolf in seinem Innern spürte es auch. Gefühle, erwartungsvolle Erregung und überraschende Freude stiegen mit einer solchen Heftigkeit in ihm hoch, dass er keuchen musste. Er legte diesen Gefühlen keine Zügel an und gab sich ihnen hin, bis seine Brust anfing zu vibrieren.
    Als einsamem Wolf war es ihm verboten. Damit würde er der Welt der Lykaner seine Absicht kundtun. Doch Instinkte aus Jahrhunderten ließen sich nicht verleugnen. Ein anhaltendes Heulen kam aus seiner Brust, schwoll an und wurde wieder leiser – es sprach von seiner Rückkehr und seinem Versprechen.

25
    Auf dem Schild, das an der Tür zu
The Book Shop
hing, stand GESCHLOSSEN. Daisy hielt sich nicht mit Anklopfen auf. Sie wurde erwartet, und deshalb war nicht abgeschlossen.
The Book Shop.
Ha! Wenn man es der praktischen Poppy überließ, einen Namen für ihren Buchladen zu finden, dann kam dabei etwas heraus, das so bar aller Lyrik und so … buchstäblich war. So sehr Daisy ihre ältere Schwester auch liebte, hätte sie doch gern deren Unerschütterlichkeit ins Wanken gebracht, damit ihre Sittenstrenge endlich einmal Risse bekam.
    Daisys Absätze klapperten, als sie den Laden betrat und den schmalen Flur entlangging, der in den privaten Bereich im hinteren Teil des Gebäudes führte. Tuttle und Seamus warteten draußen in der Kutsche auf sie und hatten nicht wenig Aufhebens gemacht, als Daisy darauf bestand, allein hineinzugehen. Aber sie brauchten sich keine Sorgen zu machen. Hier nicht.
    Der vertraute Geruch nach Holzpolitur, alten Büchern und Leinenpapier stieg ihr in die Nase. Licht fiel schräg

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