Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Bann des Mondes

Im Bann des Mondes

Titel: Im Bann des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristen Callihan
Vom Netzwerk:
erkannte Daisy, dass auch sie an den verheerenden Verlust dachten, den sie alle erlitten hatten. »Was für eine Gabe hatte Mutter?«
    Poppy seufzte. »Im Grunde ähnelten ihre Fähigkeiten sehr den deinen. Sie konnte die Natur beeinflussen. Erinnerst du dich, wie sie mit Tieren umgehen konnte?«
    Mirandas Lippen zitterten. »Ach Gott, das hatte ich ganz vergessen. Sie erzählte immer, sie hätte den Ratten ›gesagt‹, sich von unserer Speisekammer fernzuhalten.« Sie brach in Lachen aus. »Ich dachte immer, sie würde mich zum Narren halten.«
    Poppy nickte steif. »Die Natur gab ihr die Kraft. Sie sehnte sich nach dem Landleben. Sie verabscheute London.«
    Sie hatten sie viel zu früh verloren. Manchmal vermisste Daisy sie so sehr, dass sie Schmerzen in der Brust bekam.
    »Und Vater?«, fragte Daisy und brach das Schweigen. »Ich nehme an, es ist bei Elementarwesen Brauch, ihre Ehemänner im Dunkeln zu lassen?« Sie sah Miranda an. »Du bist jetzt in Schwierigkeiten.«
    Poppys Lippen wurden ganz schmal. »Vater wusste nichts von Mutters Fähigkeiten … nur von Mirandas, aus offensichtlichen Gründen.«
    »Und von deinen wohl auch nicht«, meinte Daisy. Als Miranda sich kerzengerade aufsetzte, warf sie ihr einen zweifelnden Blick zu. »Na, komm schon. Sie bezeichnet sich selbst als Erstgeborene. Du bist doch nicht ernsthaft davon ausgegangen, dass sie keine Gabe besitzt.«
    Poppy verzog das Gesicht.
    »Was für eine Gabe hast du?«, fuhr Miranda sie an.
    Poppy seufzte wieder und streckte dann langsam die Hand aus. Ihr langer, schmaler Zeigefinger berührte die Karaffe mit dem Eistee, die durch die Sonne von außen beschlagen war. Ein eisiger Hauch zog durch den kleinen Garten … eiskalt und klar. Vor ihren Augen wurde aus dem Kondenswasser auf dem Glas Reif. Kurz darauf bildete sich eine Eisschicht auf dem Tee, und innerhalb weniger Sekunden war das ganze Getränk vereist.
    »Nun, zumindest erklärt das den Eistee, den man sich mit dem Einkommen eines Buchhändlers ja wohl nicht leisten könnte«, meinte Daisy. »Wie wäre es das nächste Mal mit Eiscreme, Pop?«
    Poppys Blick wirkte eisig.
    »Weiß Winston davon?«, fragte Daisy.
    »Nein. Und er wird es auch nie erfahren.«
    Die Drohung war eindeutig.
    »Da laust mich doch der Affe«, brummte Miranda, die immer noch die Karaffe mit dem gefrorenen Tee anstarrte.
    »Genau richtig«, fuhr Daisy auf und verschränkte die Arme vor der Brust. »Du hast Feuer, sie Eis und ich habe Erde.« Als beide sie nur wortlos anstarrten, gab sie einen angewiderten Laut von sich. »Feuer und Eis sind elegante, grausame Kräfte. Ich hasse Erde! Und mal ehrlich … was kann man schon damit anfangen?«
    »Ach, ich weiß nicht«, murmelte Poppy. »Für mich klingt es so, als ob du deine Gabe recht wirkungsvoll einsetzen konntest, um deine Gegner zu Fall zu bringen.«
    Daisy warf eine Locke, die sie an der Wange kitzelte, zurück und drehte den Kopf weg. Sie wollte sich nicht überzeugen lassen.
    »Und du hast die Erde ja auch nicht nur in Bewegung gesetzt, oder?«, meinte Poppy. »Du hast Baumwurzeln erwähnt. Das lässt mich glauben, dass die Natur mit dir im Einklang steht; genau wie bei Mutter.« Sie richtete den Blick auf die Krokusse, die am Rand der frisch knospenden Blumenbeete blühten. »Ich habe den Verdacht, dass du viel mehr Macht besitzt, als du denkst. Warum versuchst du nicht mal, mit den Blumen zu reden?«
    »Ich soll mit den Blumen reden?«
    Wie lächerlich. Sie sah sich um. Es stimmte: Jeder Grashalm, jede Blume hatte einen eigenen Duft, den sie so deutlich erkennen konnte wie den Tee, der vor ihr stand, oder den Zitronenkuchen auf der Etagere. Wenn sie ganz still war, konnte sie hören, wie die kleinen Blumen sich in der Brise regten, während die festen Knospen der Weide über ihren Köpfen aufzubrechen versuchten. Vorsichtig holte sie Luft und ließ das seltsame Kribbeln heraus, das in ihrem Bauch zu leben schien. Eine Kraft, die wohl immer da gewesen war, hätte sie nur daran gedacht, danach zu suchen.
    Die Luft um den Tisch herum schien zu knistern und zu knacken. Auf einmal erkannte Daisy, dass dieses seltsame Zischen der Laut des Wachsens war. Etwas strich an ihrem Knöchel entlang. Gras. Es schoss aus dem Boden und wuchs in die Höhe. Die Krokusse, die eben noch ganz schüchtern die ersten Knospen geöffnet hatten, blühten jetzt in einem üppigen dunklen Lila. Miranda keuchte, als die Kletterrose, die an einem Rosengitter an der hinteren Mauer rankte,

Weitere Kostenlose Bücher