Im Bann des Mondes
genauso. Und trotzdem scheint eine von uns überhaupt kein bisschen überrascht … Poppy Ann Ellis Lane!« Mit einem Ruck kam sie nach vorn, und ihre Fäuste brachten die Teller auf dem Tisch zum Klappern, während sie ihre Schwester wütend ansah. »Du wusstest, dass das passieren konnte. Versuch nicht, es zu leugnen. Du bist die Schlaueste von uns allen. Und die Älteste. Du wusstest es, nicht wahr?«
Schweigen senkte sich über den Garten, während die jüngeren Ellis-Schwestern die Älteste anschauten. Poppy saß so reglos da wie die Statuen, die die vier Ecken des Gartens schmückten. Einen angespannten Augenblick lang erwiderte sie die Blicke der beiden, dann holte sie tief Luft, als würde sie sich wappnen.
»Ich wusste es.«
Solch schlichte Worte, doch im Garten brach ein Gebrüll aus, bei dem Miranda sich als die Lauteste erwies. Sie war aufgestanden und sah Poppy wie ein Racheengel an, wobei ein paar verirrte Strähnen ihres rotgoldenen Haars in der leichten Brise zitterten.
»Du wusstest es?«, zischte Miranda. »Du wusstest, wie allein ich mich mit dieser Last fühlte? Ich kam mir wie eine Missgeburt vor, eine Laune der Natur, und du wusstest, dass ich nicht die Einzige war, die über seltsame Kräfte verfügt?«
Poppys Miene gab nach wie vor nichts preis. »Ich litt darunter, nichts sagen zu dürfen, Miranda. Aber es war nicht an mir, Daisy zu warnen oder von deiner Gabe zu sprechen, wenn es nicht absolut notwendig war.«
»Wie konnte es nicht notwendig sein, wenn ich Dinge in Asche verwandelte?«, brüllte Miranda.
»Hättest du wirklich ernsthaft die Kontrolle über dich verloren, wäre ich dir zu Hilfe geeilt«, erklärte Poppy ruhig. »Doch du hast alles sehr gut allein geregelt bekommen.«
Wieder hagelten Flüche auf sie ein, doch dieses Mal übertönte Poppy sie mit ihrer klaren Stimme. »Hinsetzen. Beide. Sofort.«
Ihr Tonfall hatte etwas an sich, das so sehr an ihre Mutter erinnerte, dass Daisy unwillkürlich gehorchte und Miranda kurz darauf ihrem Beispiel folgte.
»Erklär es uns!«, forderte Miranda.
»Natürlich«, erwiderte Poppy. »Ihr seid Elementarwesen.«
»Elementarwesen?«, plapperte Daisy nach. Die Sonne schien zu hell, die Luft zu heiß für solche Enthüllungen, doch sie war nicht geneigt, die Unterhaltung abzubrechen, um nach drinnen zu gehen.
Poppy wirkte ganz gelassen. »Wesen, die die Elemente beherrschen. Früher wurden Elementarwesen als Hexen betrachtet, von denen viele auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurden.«
Ein Frösteln ging durch Daisys Körper, und sie lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück. »Hexen … wie reizend. Obwohl bei deinem Temperament, Panda« – sie bedachte ihre wütende kleine Schwester mit einem leisen Lächeln – »kann ich verstehen, wie sie zu ihrem Namen gekommen sind.«
Miranda hatte eindeutig eine ganze Reihe von ausdrucksstarken Handbewegungen während ihrer Zeit mit Billy Finger gelernt und benutzte jetzt eine davon. Daisy streckte ihr die Zunge raus, ehe sie sich wieder zu Poppy umdrehte. »Wie sind wir zu diesen Gaben gekommen?«
»Ihr habt sie von Mutter geerbt. Elementarwesen sind in der Regel Frauen, und die Gabe wird an Töchter weitergegeben. Sie war es auch, die mir verbot, darüber zu sprechen, außer man würde micht fragen.«
»Und du hast einfach gehorcht?«, fragte Miranda. »Auch als du wusstest, wie es mir damit ging?«
Poppy sah sie unglücklich an. »Ich habe einen Schwur geleistet. Als Erstgeborene war es meine Pflicht, das Geheimnis zu bewahren. Nur wenn du versuchen solltest, jemandem Schaden zuzufügen, um dir dadurch einen Vorteil zu verschaffen, sollte ich eingreifen. Aber du hast die ganze Zeit nur versucht, deine Gabe zu unterdrücken, Miranda. Was hätte es denn gebracht, darüber mit dir zu sprechen, wo du die Gabe doch gar nicht nutzen wolltest?«
Mirandas Zähne knallten aufeinander. »Diese Aussage ist so falsch, dass ich gar nicht weiß, wo ich anfangen soll, sie zu widerlegen.«
Poppy blickte zur Seite, und man sah ihr die innere Erregung an. Daisy wusste, dass sie unrecht hatte, aber entweder wollte sie es nicht zugeben oder sie sah ihren Gedankenfehler nicht.
Daisy konnte kaum einen klaren Gedanken fassen. Nicht nur Miranda, sondern sie alle waren anders. Und ihre Mutter hatte es gewusst. Sie dachte an ihre wunderschöne, ätherische Mutter, die bei der Geburt ihres kleinen Bruders gestorben war. Der arme kleine Wurm hatte noch nicht einmal einen Tag überlebt. An den Mienen ihrer Schwestern
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