Im Bann des Nekromanten: Die Chroniken des Beschwörers - 1. Roman (German Edition)
letzte Nacht ist meine Mutter hier vorbeigekommen und hat nach mir gerufen. Ich hatte nicht die Kraft zu antworten, und so ging sie weiter. Sie trauern um mich, Milord. Lasst mich nach Hause zurückkehren.
Nur die Lady selbst darf einen Leichnam wiederbeleben , entgegnete Tris. Es ist verboten.
Die Augen des Gespenstes flammten wütend auf. Du bist nicht besser als mein Geliebter! , sagte sie verächtlich. Ich habe dich angefleht und angebettelt, und du weist mich ab! Die Dunkelheit, die zuerst fast unmerklich über der Erscheinung gelegen hatte, ließ jetzt ihre Umrisse deutlich hervortreten, und instinktiv rief Tris einen Schutzzauber um sich und seine Freunde auf und vertrieb den Geist aus diesem Kreis.
Wie kannst du es wagen! , heulte das Gespenst auf, und sein Geschrei hallte laut in Tris’ Verstand wider. Das werde ich dir heimzahlen, genau wie ich es ihm heimzahlen werde! , schwor sie. Ich werde einen Weg zurück finden, und wenn ich mit der Vettel selbst feilschen muss! Vor seinen Augen zerteilte sich die Erscheinung in wirbelnden Nebel, doch die Kälte, die Tris spürte, blieb, selbst als er seine Abwehr noch einmal überprüfte, um sicherzugehen, dass er alles in seiner Macht Stehende getan hatte, um seine Freunde zu schützen. Irgendwann übermannte ihn die Erschöpfung, und er glitt in einen unruhigen Schlaf.
Einen Kerzenabschnitt später weckte Berrys gellender Schrei sie auf. Es war kurz vor Sonnenaufgang und noch dunkel; sie saß kerzengerade auf ihrer Lagerstatt und zeigte auf den Brunnen.
Tris erhob sich schwankend und sah Carina dort stehen, steif und still, außerhalb der Abwehren, die er errichtet hatte. Vahanian sprang auf und hatte das Schwert schon in der Hand, als Carroway herbeigehastet kam.
»Ich dachte, du hältst Wache!«, fuhr Vahanian ihn an.
»Hab ich auch, ich schwöre!«, keuchte Carroway mit aufgerissenen Augen. »Da drüben war ein Geräusch«, erklärte er und zeigte in die andere Richtung, »und ich bin hin um nachzusehen. Da war aber nichts, und als ich mich wieder umdrehte, sah ich Carina am Brunnen. Ich dachte, vielleicht will sie etwas trinken, aber sie bewegte sich, als ob sie noch schliefe, und ich wollte ihr gerade nachgehen, als Berry geschrien hat.«
»Etwas war hier draußen«, sagte Vahanian und umkreiste den Brunnen. Er zeigte auf die Leiche einer jungen Frau, die halb unter einer Schneewehe begraben war. An ihrer Schläfe war eine dunkle Quetschung und um ihren Hals der Abdruck eines Seils oder eines Gürtels. Sie hatte eine Hand ausgestreckt, die klauenartig aus dem Schnee ragte, als ob sie im Tod noch etwas packen wollte. Aber es war das Gesicht der Leiche, von dem Tris den Blick nicht abwenden konnte, denn obwohl es vor Schmerz und Wut verzerrt war, waren die Züge der Toten die des Gespenstes, das seine Hilfe gesucht hatte.
Tris drehte sich zu Carina um und rief sanft ihren Namen. Die Augen der Heilerin waren glasig, ihr Gesichtsausdruck verwundert; immer noch stand sie starr wie der Tod da.
»Was ist los mit ihr?«, fragte Carroway, ohne den Versuch zu machen, die Angst in seiner Stimme zu verstecken. Er streckte die Hand nach ihr aus, aber Tris packte sein Handgelenk.
»Was soll das?«, protestierte Carroway.
»Das ist Carinas Körper«, sagte Tris leise und streckte seine Magiersinne aus, »aber er wird von einem anderen Geist beherrscht.«
»Was zum Teufel redest du da?«, brauste Vahanian auf und legte eine Hand auf den Knauf seines Schwertes.
»Heute Nacht, als Jonmarc Wache hatte, kam ein Gespenst zu mir«, sagte Tris, ohne den Blick von Carinas regloser Gestalt abzuwenden.
»Ich habe kein Gespenst gesehen«, widersprach Vahanian.
Tris schüttelte den Kopf. »Sie war nicht stark genug, als dass jemand außer mir sie hätte sehen können«, erklärte er ruhig.
»Sie?«, fragte Carroway bestürzt und warf einen verstohlenen Blick auf die Leiche. »Diese sie?«
Tris nickte und erzählte ihnen die Geschichte des toten Mädchens.
Vahanian schaute ihn skeptisch an. »Dieses Gespenst dachte also, du könntest mit den Fingern schnippen und es von den Toten zurückholen?«, fasste er ungläubig zusammen. Unausgesprochen hing die nächste Frage in der Luft. Und hättest du es können? Doch wagte keiner, sie zu stellen, und dafür war Tris dankbar, denn nur gut erinnerte er sich noch an das Fiasko mit Alyzza und der Waldmaus.
»Selbst wenn ich das gekonnt hätte«, sagte Tris, »es ist von der Lady verboten. Ich musste sie abweisen. Daraufhin
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