Im Bann des Nekromanten: Die Chroniken des Beschwörers - 1. Roman (German Edition)
Bava K’aa stürzte zu Boden. Wir hoben sie auf und trugen sie fort, denn ihre Wunden, wenngleich schwer, waren nicht tödlich. Und der Orb wurde den Söhnen von Finsterwald zur Bewachung übergeben, wo er sich bis zu diesem Tage befindet.«
»Das ist er!«, flüsterte Tris. »Der Seelenfänger!«
Kiara sah ihn verwirrt an. »Seelenfänger?«
Tris erzählte ihr von der pulsierenden Kugel in Arontalas Räumen. »Ich habe Angst, dass Arontala irgendwie einen Weg gefunden hat, Kaits Geist zu binden«, sagte Tris. »Ich sehe sie ständig in meinen Träumen, wie sie sich gegen ein Glasgefängnis drückt und nach mir ruft.«
Royster war tief in Gedanken versunken. »Finsterwald ist eine Niederlassung an der Grenze Fahnlehens zu Margolan«, grübelte er. »Foor Arontala kam von dort.«
»Foor Arontala war einer der Söhne Finsterwalds«, sagte eine vertraute Stimme hinter ihnen. Sie sahen auf und bemerkten Gabriel, der im Mondlicht stand, das durch die zweiflügligen Fenster ins Zimmer strömte. »Er hat uns verraten und den Orb gestohlen.«
Tris verspürte eine Kälte, die nichts mit den herbstlichen Temperaturen zu tun hatte. »Kann er den Geist des Obsidiankönigs befreien?«
»Er wird es versuchen«, antwortete Gabriel, »bei Hagedornmond. Er besitzt große Macht, und die Blutmagie, die er wirkt, hat ihn sogar noch stärker gemacht. Ihr müsst ihn aufhalten.«
»Das ist in einem halben Jahr«, sagte Tris. »Die Sommersonnenwende.«
»Wenn unsere Welt und die Geisterwelt nur wenige Grenzen haben – falls überhaupt welche«, sinnierte Royster.
»Ich erinnere mich an das Elend, das dieser dunkle Zauberer über das Land gebracht hat: Es kann keinen weiteren Magier seiner Ruchlosigkeit mehr ertragen«, erklärte Gabriel.
»Ihr kanntet meine Großmutter?«, fragte Tris.
Der Vayash Moru nickte. »Sie war eine großartige Frau. Und eine getreue Freundin.«
»Wer sind die Söhne von Finsterwald?«, wollte Kiara wissen.
Gabriel blickte sie an, und der Glanz seiner dunklen Augen stand in unheimlichem Kontrast zu seiner bleichen Haut. »Die Söhne von Finsterwald sind jene, die des Nachts wandeln«, entgegnete er. »Lange war Finsterwald ein Zufluchtsort für unseresgleichen. Noch länger war der Tempel der Dunklen Lady in jenen Hügeln eine heilige Stätte.«
»Wenn Arontala einer der Söhne Finsterwalds war«, sagte Kiara, »dann ist er …«
»Er ist Vayash Moru«, bestätigte Gabriel ihre unausgesprochene Schlussfolgerung.
»Aber das ergibt doch keinen Sinn!«, widersprach Kiara. »Die Flüchtlinge haben mir erzählt, dass Jared Drayke versucht, sämtliche Vayash Moru zu vernichten!«
»Das entspricht auch der Wahrheit. Arontala ist ein Verräter an seiner Art, weil er uns fürchtet. Er glaubt, falls wir gemeinsam handeln, könnten wir erfolgreich gegen ihn sein. Und da ist noch etwas, was er fürchtet, sogar noch mehr als uns«, fügte er hinzu und sah dabei Tris an: »Er weiß, dass Ihr ein Geistermagier seid. Auch er muss die Macht gespürt haben, die Ihr im Ruune Videya ausgeübt habt. Arontala fürchtet, dass wir uns Euch anschließen könnten, solltet Ihr Euch gegen ihn erheben.«
»Und würdet ihr das?«, fragte Tris sachlich.
»Ich denke schon«, antwortete Gabriel. »Noch nie hat mein Volk einem sterblichen Herrscher die Treue geschworen. Wir legen Wert darauf, unter uns zu bleiben«, sagte er und leckte sich die dünnen Lippen. »Aber ich war in Margolan und habe die verbrannten Leichen und abgetrennten Köpfe meinesgleichen gesehen und auch die von Sterblichen, die wie Vayash Moru umgebracht wurden, um die Angst derjenigen um sie herum zu schüren. Wenn noch welche übrig sind, wenn Ihr zurückkehrt, mein Fürst, dann glaube ich, dass sie Euch folgen werden.«
»Ich dachte immer, Finsterwald sei aufgegeben worden«, sagte Kiara.
Gabriel zuckte die Schultern. »Als Arontala den Orb stahl, erschütterte er das große Haus in seinen Grundfesten, und in dem Chaos fand der Gebieter Finsterwalds den Tod. Seit damals steht das große Haus leer und erwartet den Willen der Dunklen Lady. Aber was sind schon zehn Jahre aus dem Verlauf von Jahrhunderten? Es wird einen anderen Gebieter geben.«
»Was führt Euch nach Westmark?«, erkundigte sich Tris.
»Ich bin hier, um mit Mikhail über einige Dinge in Finsterwald zu reden.«
»Und ich könnte mir vorstellen, dass Ihr auch selbst in den Büchern blättern wollt«, sagte Royster grinsend.
Gabriel lächelte – ein beunruhigender Anblick, der seine
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