Im Bann des Nekromanten: Die Chroniken des Beschwörers - 1. Roman (German Edition)
nicht mehr. Tris konnte spüren, wie eine seltsame Macht an dem Geist zog, eine Kraft, die er nicht identifizieren konnte. Der Geist schien zu zerfallen, löste sich zuerst in Dunst auf und dann in nichts.
Soterius zerrte Tris so heftig am Hemd, dass er ihn fast vom Stuhl riss. »Komm endlich!«, drängte der Soldat mit einer Stimme, die kurz vor der Panik war. »Lass uns gehen!«
Vom Bankettsaal wurde der Geruch nach gebratenem Fleisch herangetragen. Ein gewaltiges Feuer prasselte in der mächtigen Feuerstelle, und Musikanten spielten eine lebhafte Weise, während die Gäste hereindrängten. Mit einem Grinsen gesellte sich Carroway zu seinen Spielmannskollegen und nahm begierig die Laute entgegen, die ihm einer seiner Freunde in die Hand drückte. Im vorderen Teil des Raums, neben dem Tisch des Königs, konnte Tris Jared erkennen, der gerade verärgert einen Diener ausschalt. Tris sah die einstudierte Kontrolle in der Miene des Seneschalls, als Zachar sich bemühte, weder seine Missbilligung noch seine Verlegenheit zu zeigen. Kait winkte Tris zu zwei Stühlen neben ihr, und er und Soterius schlüpften durch die Menge, um ihre Plätze einzunehmen. Kaits Falke trat unruhig von einem Fuß auf den anderen, und das Mädchen gab dem Falkner ein Zeichen, der daraufhin das Tier auf seinen behandschuhten Arm nahm und den Raubvogel eilends zu den ruhigeren Falkenkäfigen brachte.
»Vater hat auf unserem Gut nie Falken bei Tisch erlaubt«, flüsterte Soterius Kait zu. »Ich muss ihm unbedingt erzählen, wie das bei Hofe gehalten wird.«
Kait bedachte ihn mit einem Blick scherzhafter Enttäuschung. »Eine weitere Vornehmheit, die du mit dem Landadel teilen kannst«, meinte sie mit gespielter Langeweile.
Tris schaute Soterius an, denn er bemerkte eine plötzliche Angespanntheit an seinem Freund. »Was ist los?«, fragte er und ließ seine Blicke über die Menge schweifen, die auf König Bricens Eintreffen wartete.
Soterius schüttelte den Kopf, und wenngleich sein Gesichtsausdruck keine Schlüsse zuließ, zeigten seine Augen seine Besorgnis. »Die Wachen, die dem Fest zugeteilt sind, sind nicht diejenigen, die ich befohlen habe«, antwortete er kaum hörbar. »Ich werde ein Wort mit dem Leutnant dort drüben wechseln.« Aber gerade als Soterius sich anschickte, die Estrade zu verlassen, verkündete die Trompete eines Herolds die Ankunft von König Bricen von Margolan.
»Später«, murmelte er, frustriert von der Verzögerung. Tris sah zu, wie Bricen und Königin Sarae durch die Menge schritten und hier und da stehen blieben, um die Wohlgesinnten zu grüßen, die sich um sie drängten. Die rotbäckige Ausgelassenheit seines Vaters verriet Tris, dass der König bereits einige Humpen Bier in seinen Privatgemächern genossen hatte, bevor er sich zu den Feiernden gesellt hatte. Sarae, wie immer kühl und selbstbeherrscht, schien über den Boden zu schweben und nahm huldvoll die Knickse und Verbeugungen der Damen und Edelmänner entgegen, die zwischen den Tischen einen Gang bildeten. Bricen half Sarae auf die Estrade, gerade als Jared mit der Strafpredigt, die er dem Diener gehalten hatte, zum Ende kam; der König blickte seinen ältesten Sohn finster an, dessen stumme Antwort in einem wütenden Funkeln bestand, das keinen Anspruch darauf erhob, die Spannungen zwischen Vater und Sohn vor den Anwesenden zu verbergen.
»Werte Edle!«, dröhnte der König. »Heute Abend sollen die Lebenden wie die Toten gleichermaßen feiern! Wie wir jetzt sind, waren sie einst. Und, bei der Göttin, wie sie jetzt sind, werden wir eines Tages sein, darum lasset uns essen und trinken, solange wir noch können!«
Der König setzte sich auf seinen Platz und wusch sich die Hände in der dargereichten Schüssel. Der Mundschenk und seine Helfer begannen mit der Arbeit, und eine Prozession von Küchenbediensteten, beladen mit dampfenden Schneidebrettern voll gebratenen Wildbrets, folgte dem Küchenmeister zum Tisch des Königs. Carroway und seine Mitmusikanten stimmten eine fröhliche Weise an, und das Stimmengewirr, das von Bricens Ankunft unterbrochen worden war, erwachte lärmend wieder. Doch ungeachtet der festlichen Atmosphäre spürte Tris, wie ein Gefühl der Kälte sich seiner bemächtigte. Die rätselhafte Warnung des Geistes ließ ihm keine Ruhe. Als er sich in dem großen Raum umblickte, bemerkte er keines der Schlossgespenster, die normalerweise selbst für diejenigen ohne eine Spur von magischer Begabung so deutlich sichtbar waren. Er
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