Im Bann des Vampirs: Fever Saga 1 (German Edition)
Plüschsessel und Sofas zwischen Säulen und Pilastern, reich verzierte Tische mit Marmorplatten und wunderschöne bernsteinfarbene und goldene Lampen. Ich war überzeugt, dass das Schlafzimmer so üppig war wie das des Sonnenkönigs. Riesige goldgerahmte Spiegel und Gemälde von mir vage bekannten mythologischen Szenen zierten die Wände.
Ich lauschte eine Weile, dann ging ich – eine Hand an einer Taschenlampe, die andere am Speer – weiter und versuchte mir ein Bild vom Bewohner dieses Hauses zu machen, indem ich in verschiedene Räume schaute. Undje mehr ich sah, umso rätselhafter wurde das Ganze. Ich hatte in kurzer Zeit in Dublin so viel Hässliches zu Gesicht bekommen, dass ich mich auf mehr davon gefasst gemacht hatte, insbesondere in dieser öden, heruntergekommenen Gegend. Aber die Bewohner schienen wohlhabende, kultivierte Leute mit erlesenem Geschmack zu sein und …
Ich schlug mir im Geiste an die Stirn. Lebte Alinas Freund in diesen Räumen? Hatte sie mich geradewegs zu dem Haus ihres Mörders geschickt?
Zehn Minuten später fand ich die Antwort in einem Schlafzimmer im Obergeschoss hinter einem massiven Bett in einem großen begehbaren Schrank. Dort hingen noch edlere Klamotten, als sie Barrons trug. Wer immer, was immer der Besitzer sein mochte, er gönnte sich nur das Beste. Damit meine ich das lächerlich Feinste – die Sachen, für die man horrendes Geld hinblättern musste, nur um sicherzugehen, dass niemand sonst auf der Welt dasselbe Kleidungsstück tragen konnte.
Hier lagen achtlos neben einer Batterie von Schuhen und Stiefeln, mit der sich eine Armee von Armani-Models hätte einkleiden können, Alinas Terminkalender, ihre Alben und zwei Umschläge mit Fotos, die bei einem Ein-Stunden-Service im Temple-Bar-Bezirk entwickelt worden waren. Ich stopfte den Terminkalender und die Alben in meine weite, große Jacke; die Fototüten behielt ich in der Hand.
Ich durchsuchte rasch, aber gründlich den Rest des Schrankes und das Schlafzimmer, um mich zu vergewissern, dass hier nichts mehr war, was Alina gehört hatte, dann lief ich die Treppe hinunter, um einem Fluchtweg näher zu sein, falls ich einen brauchte.
Ich setzte mich auf die unterste Stufe unter einen mit Gold verzierten Kristalllüster und öffnete die erste Fototüte.
Man sagt, ein Bild ist mehr wert als tausend Worte.
Diese waren es ganz bestimmt.
Ich gebe es endlich zu: Seit ich die Beschreibung von Alinas Freund gehört hatte – älter, weltgewandt, attraktiv, nicht irisch –, plagte mich ein paranoider Gedanke.
War ich in Alinas Fußstapfen getreten, in jeder Hinsicht} Bis hin zu dem Mann, der sie verraten und zerstört hatte? Hatte sich Alina in Jericho Barrons verliebt? War mein mysteriöser Gastgeber und angeblicher Beschützer der Mörder meiner Schwester?
Als ich das Haus betreten hatte, war mir sofort durch den Kopf gegangen: Aha, hier war er also in der letzten Nacht. Dies ist sein wahres Zuhause, nicht der Buchladen, und er ist in Wirklichkeit ein Feenwesen. Aus unerfindlichen Gründen habe ich das genauso wenig gemerkt wie Alina. Wie ich darauf kam? Nun, das würde sicherlich die seltsamen Momente erklären, in denen ich mich stark zu ihm hingezogen fühlte, als würde sich ein Tod-durch-Sex-Feenwesen hinter seiner dominanten, autoritären Fassade verbergen. Es könnte doch Feen geben, die sich auch vor Sidhe -Sehern verstecken konnten. Vielleicht hatten sie Talismane oder konnten durch einen Zauber ihre wahre Natur verschleiern. Ich hatte in den letzten Wochen zu viele unerklärliche Dinge erlebt, um noch irgendetwas als unmöglich auszuschließen.
Ich hatte die ganze Zeit hin und her überlegt: An einem Tag dachte ich, dass Barrons auf gar keinen Fall ein Seelie sein konnte, am anderen war ich fast überzeugt, dass er es war.
Jetzt hatte ich Gewissheit. Alinas Freund war definitiv nicht Jericho Barrons.
Ich sah mir gerade einen Teil vom Leben meiner Schwester auf Fotos an, den ich nicht kannte. Angefangen vomTag ihrer Ankunft in Irland, eine Aufnahme von ihr auf dem Trinity Campus, Alina lachend mit Kommilitonen in einem Pub und tanzend mit Freunden. Sie war hier glücklich gewesen. Ich blätterte den Stapel langsam, voller Liebe durch, berührte mit der Fingerspitze ihre geröteten Wangen, zeichnete die Linie ihres langen blonden Haares nach, lächelte und strengte mich an, nicht zu weinen, als ich eine Welt entdeckte, die ich nie zu sehen erwartet hätte – Alina lebend in dieser verrückten
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