Im Bann des Vampirs: Fever Saga 1 (German Edition)
welcher Gegend ich mich befand.
Dieses Mal war das Gefühl jedoch noch stärker und ich war bereit zu wetten, dass ich die kleine Karte, die ich gezeichnet hatte, gar nicht brauchte. Etwas, das mich lockte und gleichzeitig abstieß, zog mich unwiderstehlich an. Ich musste unwillkürlich an einen Alptraum denken, der mir unauslöschlich im Gedächtnis geblieben war.
In diesem Traum stand ich nachts und bei Regen auf einem Friedhof und wusste, dass ein paar Schritte weiter mein eigenes Grab war. Ich hatte es nicht gesehen, wusste jedoch mit der Gewissheit, die man oft in Träumen hatte, dass es dort sein musste. Einerseits wollte ich weglaufen, so schnell ich konnte, über das regennasse Gras, die Steine und Gebeine fliehen und nicht mehr zurückschauen, alswürde ich mein Schicksal besiegeln, wenn ich nur einen einzigen Blick auf mein Grab warf. Andererseits wusste ich, dass ich keine Ruhe mehr finden könnte, wenn ich zu viel Angst hätte, um die wenigen Schritte zu gehen und mir meinen eigenen Grabstein, meinen Namen und das Todesdatum anzusehen.
Ich wachte auf, bevor ich eine Entscheidung gefällt hatte.
Allerdings war ich nicht so dumm zu glauben, dass ich aus diesem Alptraum auch aufwachen würde.
Wild entschlossen, die dehydrierten menschlichen Überreste zu ignorieren, die der Wind durch die Nebelschwaden auf den verlassenen Straßen wehte wie dürres Steppengras, machte ich meinen Weg und folgte der düsteren Melodie meines persönlichen Rattenfängers. Diesmal sah ich das verlassene Viertel mit anderen Augen als beim ersten Mal.
Es kam mir vor wie ein Friedhof.
Ich erinnerte mich, dass sich Inspector O’Duffys bei unserer ersten Begegnung beschwert hatte: In der letzten Zeit sind die Mordraten und Vermisstmeldungen sprunghaft angestiegen. Es ist, als wäre die halbe Stadt verrückt geworden.
Nicht annähernd die Hälfte, soweit ich es beurteilen konnte – noch nicht. Ich konnte mir O’Duffys Bestürzung gut vorstellen, wenn er Leichen wie die der Frau sah, die der Graue Mann im Pub zurückgelassen hatte, und hier waren all die Vermissten.
Überall. Ich kam an Unzähligen vorbei. An Kleiderhaufen neben Autos, auf Gehsteigen, halb verschüttet von Müll, der nie abgeholt werden würde, weil diese Straßen für die Stadtverwaltung überhaupt nicht mehr existierten.
Auch wenn gelegentlich ein pflichtbewusster Straßenkehreroder Müllmann hier durchfuhr und sagte: »Mann, was für ein Dreck«, würde er mit einem Schulterzucken hinzufügen: »Na ja, nicht meine Route, nicht mein Problem.«
Die eigentliche Gefahr der dunklen Zone war, dass die Menschen nach wie vor diese Straßen entlangfuhren oder -gingen, auch wenn sie auf keinem Plan mehr verzeichnet waren. Sie waren zu nahe am Temple-Bar-Bezirk und ich hatte mit eigenen Augen gesehen, dass viele betrunkene Touristen in Feierlaune herumliefen und wahrscheinlich erst merkten, wie sehr sich die Gegend verändert hatte, wenn es zu spät war. Ein Auto mit Scheinwerfern und Innenbeleuchtung hatte vielleicht ganz gute Chancen, nachts unbehelligt durchzukommen, solange der Fahrer nicht anhielt und ausstieg, zum Beispiel, weil er zu viel getrunken hatte und pinkeln musste –, aber ich selbst würde dieses Risiko nicht eingehen.
Mir fiel noch etwas auf, was mir beim ersten Mal entgangen war: Hier gab es keine Tiere. Nicht eine einzige streunende Katze, keine Ratten, keine Tauben. Es war eine wirklich ausgestorbene Zone.
Schatten fraßen alles.
»Außer Barrons«, murmelte ich. Diese Tatsache bedrückte mich mehr, als ich zugeben wollte. Neulich, als wir den Grauen Mann erledigt hatten, hatte ich mich meinem geheimnisvollen Mentor ziemlich nahe gefühlt. Wir waren ein Team gewesen und hatten die Stadt von einem Monster befreit. Na ja, mein erster Versuch war nicht gerade rühmlich verlaufen, aber das Resultat war ein gutes gewesen. Und beim nächsten Mal würde ich meine Sache besser machen. Ich würde das Wesen lähmen und zustechen. Bis keine Frauen mehr ihrer Schönheit und Jugend beraubt wurden und niemand mehr eines scheußlichen Todes sterben musste. Ich hatte mich richtig gut gefühlt und wahrscheinlichvage gedacht, dass Barrons mir letztendlich helfen würde, von hier wegzukommen, sobald ich herausgefunden hatte, wodurch Alina gestorben war.
Ich machte mir keine Illusionen, dass die Polizei oder ein Gericht in der Lage sein würden, die Gerechtigkeit walten zu lassen, nach der ich verlangte. Ich hegte keinen Zweifel, dass ihre Mörder
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