Im Bann des Vampirs: Fever Saga 1 (German Edition)
Sie war wie erstarrt und mit einem Mal bleich wie ein Gespenst.
»Ich habe nie davon gehört. Warum suchen Sie danach?«, fragte sie mit gepresster Stimme.
Ich blinzelte. »Wer sagt, dass ich danach suche?« Das hatte ich nie behauptet. Ich wollte nur wissen, was das Wort bedeutet.
»Warum sollten Sie sonst so eine Frage stellen?«
»Ich möchte nur wissen, was es heißt«, erwiderte ich.
»Wo haben Sie dieses Wort gehört?«
»Ist das so wichtig?« Das klang, als müsste ich mich verteidigen. Was sollte diese Diskussion überhaupt? Offensichtlich kannte sie die Bedeutung des Wortes. Wieso klärte sie mich nicht einfach auf? »Hören Sie, es ist wirklich wichtig.«
»Wie wichtig?«, hakte sie nach.
Was wollte sie von mir? Geld? Das könnte ein Problem werden. »Sehr.«
Sie spähte über meine Schulter und hauchte ein einziges Wort wie im Gebet: »Jericho.«
»Jericho?«, echote ich verständnislos. »Sprechen Sie von der antiken Stadt?«
»Jericho Barrons«, sagte eine volltönende, kultivierte Männerstimme hinter mir. »Und Sie sind?« Das war kein irischer Akzent. Keine Ahnung, welche Färbung sein Englisch hatte.
Ich drehte mich um, wollte sagen, wie ich heiße, brachte aber kein Wort heraus. Kein Wunder, dass Fiona seinen Namen so ehrfürchtig ausgesprochen hatte. Ich gab mir im Geiste einen Tritt und streckte die Hand aus. »MacKayla, aber die meisten nennen mich Mac.«
»Haben Sie auch einen Nachnamen, MacKayla?« Er zog meine Hand kurz an seine Lippen, dann ließ er sie los. Die Stelle, die er mit dem Mund berührt hatte, prickelte.
War es Einbildung oder verriet sein Blick tatsächlich das Raubtier in ihm? Ich fürchtete, allmählich paranoid zu werden. Es war ein langer, seltsamer Tag nach einer noch seltsameren Nacht gewesen. Ich sah schon die Schlagzeilen im Ashforder Journal vor mir: Die zweite Lane-Schwester findet gewaltsamen Tod in Dubliner Buchladen. »Einfach nur Mac, das genügt«, wich ich ihm aus.
»Und was wissen Sie über dieses shi-sadu, einfach nur Mac?«
»Nichts. Deshalb hab ich danach gefragt. Was ist das?«
»Keine Ahnung«, antwortete er. »Wo haben Sie dieses Wort gehört?«
»Daran kann ich mich nicht erinnern. Wieso wollen Sie das wissen?«
Er verschränkte die Arme.
Ich folgte seinem Beispiel. Warum belogen mich diese Leute? Was, um alles in der Welt, war diese Sache, nach der ich gefragt hatte?
Er musterte mich mit seinem Raubtierblick von Kopf bis Fuß. Ich meinerseits betrachtete ihn genauso forschend. Seine Anwesenheit beanspruchte den ganzen Raum. War bisher der Laden voller Bücher gewesen, so beherrschte Jericho Barrons jetzt alles. Er war um die dreißig und gute eins fünfundachtzig groß, hatte dunkles Haar, goldene Haut und dunkle Augen. Seine Gesichtszüge wirkten kraftvoll, wie in Stein gemeißelt. Ich konnte seine Nationalität ebenso wenig einordnen wie seinen Akzent; vielleicht floss mediterranes Blut in seinen Adern oder einer seiner Vorfahren war Zigeuner gewesen. Er trug einen eleganten dunkelgrauen italienischen Anzug, dazu ein schneeweißes Hemd mit einer dezent gemusterten Krawatte. Dieser Mann war nicht einfach gut aussehend – ein solches Attribut wäre viel zu brav für ihn. Er wirkte ungeheuer männlich, sehr sexy und unwiderstehlich. Alles an ihm drückte Sinnlichkeit aus – die dunklen Augen, die vollen Lippen, seine Haltung. Mit Männern wie ihm würde ich in einer Million Jahren keinen Flirt anfangen.
Ein Lächeln umspielte seine Mundwinkel. Es sah kein bisschen freundlicher aus als er selbst und ich ließ mich keine Sekunde davon täuschen.
»Sie wissen, was es bedeutet«, stellte ich fest. »Warum verraten Sie es mir nicht einfach?«
»Sie selbst wissen augenscheinlich auch etwas darüber«, erwiderte er. »Warum erzählen Sie mir nichts davon?«
»Ich habe zuerst gefragt.« Eine kindische Reaktion, ja, aber mir fiel nichts anderes ein. Er würdigte mich keiner Antwort. »Ich werde so oder so herausfinden, was ich wissen will«, sagte ich schließlich. Wenn diese Leute wussten, was ein shi-sadu war, dann gab es in Dublin sicherlich noch andere, die es mir erklären konnten.
»Genau wie ich. Verlassen Sie sich darauf, einfach nur Mac.«
Ich bedachte ihn mit meinem frostigsten Blick, den ich bei betrunkenen, lüsternen Gästen im Brickyard oft erprobt hatte. »Soll das eine Drohung sein?«
Er kam einen Schritt näher und ich erstarrte, aber er streckte nur die Hand nach etwas aus, das hinter mir lag. Als er die Hand wieder
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