Im Bann des Vampirs: Fever Saga 1 (German Edition)
kein Interesse an einem eigenen Tagebuch gehabt, aber nach der Beerdigung war ich so verzweifelt gewesen, dass ich meinem Kummer irgendwie Luft machen musste. Später stellte ich Listen zusammen: Was ich einpacken, besorgen und in Erfahrung bringen musste und wohin ich mich als Erstes wenden wollte. Listen waren zu meinen Leitfäden geworden. Sie führten mich durch die Tage wie das Vergessen im Schlaf durch die Nächte. Solange ich genau wusste, was ich am nächsten Tag unternehmen würde, geriet ich nicht ins Straucheln.
Ich war stolz auf mich, weil ich mich an meinem ersten Tag in Dublin so gut mit Bluffs durchgeschlagen hatte. Aber in meiner Lage blieb mir gar nichts anderes übrig, als zu bluffen. Nur ich wusste, wer ich wirklich war: ein einigermaßen hübsches Mädchen, kaum alt genug, um an einer Bar Gäste zu bedienen, das nie weit weg von Georgia gewesen war, kürzlich ihre Schwester verloren hatte und sich, wie Jericho Barrons es ausgedrückt hatte, auf sehr dünnem Eis bewegte.
Trinity College, Gespräche mit Alinas Professoren und die Namen ihrer Freunde in Erfahrung bringen – dieser Punkt stand als Erster auf meiner Liste für morgen. Alina hatte mir am Anfang des Trimesters ihren Stundenplan mit den Namen der Dozenten gemailt, damit ich wusste, wann sie Unterricht hatte und wann ich sie am besten telefonisch erreichen konnte. Mit etwas Glück wusste im College jemand, mit wem sich Alina in ihrer Freizeit getroffen hatte und wer dieser mysteriöse Mann war. Nachforschungen in der örtlichen Bibliothek über dieses »shi-sadu«, war das nächste Vorhaben. Ganz bestimmt würde ich dieses Büchergeschäft nicht noch einmal betreten – es wurmte mich, dass ich nicht mehr hin konnte, denn es war der großartigste Buchladen, den ich jemals gesehen hatte. Aber ich wurde das Gefühl nicht los, dass ich heute nur mit Glück hatte entkommen können. Wenn der Taxifahrer nicht gerade im richtigen Moment aufgetaucht wäre, hätte mich Jericho Barrons vielleicht an einen Stuhl gefesselt und gefoltert, bis ich ihm erzählte, was er wissen wollte. Umzugkartons, Mülltüten und einen Besen besorgen und in Alinas Wohnung bringen, stand als Drittes auf dem Programm, doch das war noch fraglich, denn ich wusste nicht, ob ich schon für einen zweiten Besuch in dem Apartment bereit war. Ich kaute auf meinem Stift herum und wünschte, ich hätte heute Morgen mit Inspector O’Duffy sprechen können. Ich hatte gehofft, eine Kopie der Ermittlungsberichte zu bekommen und die Schritte der Polizei nachvollziehen zu können. Leider musste das noch ein paar Tage warten.
Ich notierte mir etliche Dinge, die ich morgen kaufen wollte: einen Adapter für das Ladegerät des iPod, Saft und ein paar billige Snacks, damit ich für alle Fälle einen kleinen Vorrat in meinem Zimmer hatte. Dann löschte ich das Licht und fiel beinahe sofort in einen tiefen, traumlosen Schlaf.
Ein Klopfen an der Tür weckte mich.
Ich setzte mich auf, rieb mir die müden Augen, die ich dem Gefühl nach nur wenige Sekunden zuvor zugemacht hatte. Es dauerte eine kleine Weile, bis mir wieder einfiel, wo ich war – in einem Bett in einem ziemlich kühlen Hotelzimmer in Dublin. Regen trommelte leicht ans Fenster.
Ich hatte einen fantastischen Traum gehabt. Alina und ich spielten Volleyball an einem der vielen künstlichen Seen, die der Stromerzeuger Georgia Power im ganzen Staat angelegt hatte. In der Umgebung von Ashford gab es drei und im Sommer gingen wir fast jedes Wochenende zu einem dieser Seen, um Spaß zu haben, die Sonne zu genießen und Jungs zu beobachten. Der Traum war so real gewesen, dass ich immer noch den Geschmack von Corona mit Zitrone im Mund hatte, das Kokosnuss-Sonnenöl roch und den weichen Sand unter den Füßen spürte.
Ich schaute auf die Uhr. Es war zwei Uhr nachts. Ich war verschlafen und missmutig und machte mir gar nicht erst die Mühe, das zu verbergen. »Wer ist da?«
»Jericho Barrons.«
Ein Schlag auf den Kopf mit Moms gusseiserner Bratpfanne hätte mich nicht heftiger aus der Schlaftrunkenheit reißen können. Was hatte der hier zu suchen? Wie hatte er mich gefunden? Ich griff nach dem Telefon, bereit, den Portier zu bitten, die Polizei zu alarmieren. »Was wollen Sie?«
»Wir müssen Informationen austauschen. Sie möchten erfahren, was es ist. Und ich muss herausfinden, wie viel Sie wissen.«
Auf keinen Fall wollte ich preisgeben, wie sehr es mich erschreckte, dass er mich hier aufgespürt hatte. »Sie sind ein
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