Im Banne des schwarzen Schwertes
suchen, das in euch ist und das ihr in jedem anderen Menschen finden könnt. Aber ihr sucht nicht dort danach, ihr müßt ruhmreicheren Wegen folgen - ihr verschwendet eure Zeit, um zu entdecken, daß ihr eure Zeit verschwendet habt. Ich bin froh, daß wir nicht mehr so sind wie ihr - doch ich wünschte, es wäre erlaubt, euch mehr zu helfen. Dies dürfen wir jedoch nicht.«
»Unsere Mission ist nicht sinnlos«, sagte Lamsar leise und respektvoll. »Wir wollen Tanelorn retten.«
»Tanelorn?« fragte der Mann leise. »So gibt es Tanelorn also noch immer?«
»Ja«, sagte Rackhir, »und es birgt in seinen Mauern erschöpfte Männer, die die gebotene Ruhe dankbar annehmen.« Jetzt wußte er, warum ihm das Gebäude vertraut vorgekommen war - hier herrschte dieselbe Atmosphäre, nur vielfach verstärkt, wie in Tanelorn.
»Tanelorn war die letzte unserer Städte«, sagte der Wächter. »Verzeih, wenn wir vorschnell über euch geurteilt haben - die meisten Reisenden, die durch diese Ebene kommen, sind rastlose Sucher ohne konkretes Ziel, voller Entschuldigungen und eingebildeter Gründe für ihren weiteren Weg. Ihr müßt Tanelorn ehrlich lieben, wenn ihr euch den Gefahren der Tore aussetzt.«
»Das tun wir«, sagte Rackhir, »und ich bin froh, daß ihr es errichtet habt.«
»Wir bauten es für uns, doch es ist angenehm zu wissen, daß andere es gut zu nutzen verstanden haben - und Tanelorn die Menschen.«
»Wirst du uns helfen?« fragte Rackhir. »Um Tanelorns willen?«
»Das können wir nicht - es ist nicht gestattet. Jetzt erfrischt euch und seid willkommen.«
Die beiden Reisenden erhielten Nahrung, zugleich weich und brüchig, süß und sauer, und ein Getränk, das durch alle Poren zu dringen schien, die es zu sich nahmen, dann sagte der Wächter: »Wir haben eine Straße entstehen lassen. Folgt ihr und betretet die nächste Welt. Doch seid gewarnt, es ist die gefährlichste von allen.«
Und sie wanderten über die Straße, die die Wächter hatten entstehen lassen und traten durch das vierte Tor in ein fürchterliches Reich -das Reich der Ordnung.
Nichts schimmerte an dem grauleuchtenden Himmel, nichts bewegte sich, nichts unterbrach das Grau.
Nichts bildete eine Abwechslung auf der öden grauen Ebene, die sich auf allen Seiten in die Unendlichkeit erstreckte. Es gab keinen Horizont. Es war eine helle, saubere Ödnis. Aber in der Luft lag etwas, das Empfinden von etwas, das vergangen war, das aber noch die schwache Aura seines Passierens zurückgelassen hatte.
»Welche Gefahren könnte es hier geben?« fragte Rackhir erschaudernd, »wenn es hier gar nichts gibt?«
»Die Gefahr des Wahnsinns der Einsamkeit«, erwiderte Lamsar. Die Worte wurden von der grauen Weite verschluckt.
»Als die Erde noch sehr jung war«, fuhr Lamsar fort, und seine Worten hallten in der Wildnis nach, »sah es so aus wie hier - doch es gab Meere, es gab Meere. Hier gibt es nichts.«
»Falsch«, sagte Rackhir mit einem schwachen Lächeln. »Ich habe nachgedacht - hier gibt es Ordnung.«
»Das stimmt - doch was ist die Ordnung, ohne die Wahl zwischen zwei Dingen? Hier herrscht das Gesetz der Ordnung - ohne Gerechtigkeit.«
Sie wanderten weiter, umgeben von der Aura einer nicht greifbaren Erscheinung, die aber einmal greifbar gewesen war. Immer weiter schritten sie durch die schrecklich öde Welt absoluter Ordnung.
Nach einiger Zeit machte Rackhir etwas aus, das flackerte, verblaßte und wieder auftauchte, bis sie im Näherkommen sahen, daß es sich um einen Mann handelte. Sein großer Kopf war edel geformt, sein Körper kräftig gebaut, doch das Gesicht war zu einem Ausdruck qualvollen Zweifels verzerrt, und er sah die beiden Männer nicht näherkommen.
Sie blieben vor ihm stehen, und Lamsar hüstelte, um seine Aufmerksamkeit zu erwecken. Er drehte den großen Kopf und betrachtete sie geistesabwesend, wobei sich sein mürrischer Ausdruck endlich aufklarte und von einer ruhigeren, nachdenklicheren Miene abgelöst wurde.
»Wer bist du?« fragte Rackhir.
Der Mann seufzte. »Noch nicht«, sagte er. »Anscheinend noch nicht. Noch mehr Phantome.«
»Sollen wir die Phantome sein?« fragte Rackhir lächelnd. »Das scheint eher deiner Natur zu entsprechen.« Er sah zu, wie der Mann langsam wieder zu verblassen begann, der Umriß weniger klar, zerschmelzend. Dann schien sich der Körper gewaltig zu spannen und herumzuschnellen, wie ein Lachs, der über einen Damm springen will, dann kehrte er in festere Form zurück.
»Ich hatte
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