Im Banne des stuermischen Eroberers
gemacht. Wenn sie nur mit dem König reden, ihn um Gnade anflehen könnte ...
Eine Bewegung und das Rascheln von Stoff zu ihrer Rechten ließen Helen aufmerken. Sie schaute sich um und erspähte Ducky. Die Magd rang die Hände, das Gesicht vor Kummer und Angst verzogen. Sie musste genug mitbekommen haben, um zu wissen, welche Weisung das Schreiben enthielt, und war darüber nicht weniger bestürzt als Helen. Um Duckys willen straffte sie die Schultern und zwang sich zu einem aufmunternden Lächeln, nur um jäh zusammenzuzucken und herumzufahren, weil ihre Tante - diese liebreizende, sanftmütige Dame - plötzlich loszeterte wie ein altes Fischweib.
„Woher, zum Teufel, hat er einen solch selten dämlichen Einfall?“
Sprachlos starrte Helen ihre Tante an, bevor sie sich zu Lord Templetun umdrehte, um dessen Antwort zu hören. Der war jedoch nicht gewillt, eine Erklärung abzugeben, ja, es schien ihm regelrecht zu widerstreben. Der alte Mann blickte schuldbewusst drein und wand sich vor Unbehagen. Eine ungute Ahnung keimte in Helen auf, als Tante Nell sie auch schon aussprach.
„Von Euch!“
Lord Templetun erstarrte. Seine Miene glich der eines Bengels, der beim Plündern der Speisekammer ertappt worden war.
„Ihr wart es“, flüsterte Helen fassungslos und wusste nicht recht, ob sie ihn nach dem Warum fragen oder ihm gleich an die Kehle gehen sollte. Ehe sie sich entscheiden konnte, war Templetun schon auf den Beinen und umrundete den Tisch mit möglichst viel Abstand zu ihr und Tante Nell.
„Nun, ich sollte aufbrechen. Der König ist kein Freund von Müßiggang. Bis nach Holden ist es zwar nicht weit, aber der Tag neigt sich dem Ende zu, und des Nachts zu reisen ist weit weniger angenehm als im Hellen, nicht wahr?“
Helen wusste, dass er keine Antwort erwartete. Zumindest schien er nicht auf eine warten zu wollen; das Portal zog ihn offenbar magisch an. Hastig strebte er darauf zu, wobei er noch hastiger sprach. Helen wünschte, er wäre an dem Essen erstickt, das sie ihm vorgesetzt hatte.
„Wie man mir mitteilte, ist Lord Holden derzeit auf dem Heimweg. Er war im Auftrag des Königs fort“, plapperte er drauflos, während Tante Nell ihm langsam nachging, die Augen schmal, die Miene sturmumwölkt. „Daher bleibt Euch genügend Zeit, das Festmahl vorzubereiten. Ich denke, Ihr solltet es für Ende nächster Woche anberaumen, das sollte ungefähr passen. Selbstredend werde ich Euch einen Boten schicken, damit Ihr rechtzeitig die letzten Vorkehrungen treffen könnt.“ Mit diesem Satz schlüpfte er durchs Portal.
„Die kleine Ratte!“, spie Nell, als die große Tür hinter ihm zuschlug.
Dem konnte Helen nur aus vollem Herzen beipflichten, aber derzeit lasteten ihr ganz andere Dinge auf der Seele. „Warum hat er dem König geraten, mich mit Holden zu vermählen?“
„Gute Frage“, murmelte Tante Nell und legte ihr tröstend die Hände auf die Schultern.
„Ihr werdet ihn doch nicht tatsächlich heiraten, oder?“, stieß Ducky aus, als sie zu ihnen trat. „Nicht den,Hammer of Holden! “
„Ich hoffe nicht, Ducky.“ Mutlos ließ Helen die Schultern hängen.
„Aber was wollt Ihr tun?“
Helen legte die Stirn in Falten, rang die Hände und überlegte fieberhaft, welche Möglichkeiten ihr blieben. Flucht? Doch wohin? Den König anbetteln? Wie? Er war fort, und die Hochzeit sollte kommende Woche stattfinden. Den angehenden Bräutigam meucheln? Ein verlockender Gedanke, jedoch nicht durchführbar, wie sie einräumen musste. Sie verzog das Gesicht.
„Mylady?“, drängte Ducky.
Helen seufzte. „Ich weiß nicht, was ich tun könnte“, gestand sie bedrückt.
Entgeistert riss Ducky die Augen auf. „Könnt Ihr ihn nicht zurückweisen? Weigert Euch einfach und ...“
„Um mich vom König in ein Kloster verbannen zu lassen? Da heirate ich den Kerl doch lieber und bringe ihn anschließend um! Denn wer würde sich um die Menschen hier kümmern, wenn man mich in einen Konvent steckte? Niemand anderer als der,Hammer of Holden. Tiernay würde ihm als Teil meiner Mitgift zufallen, sollte ich mich dem Befehl des Königs widersetzen.“
Ducky biss sich auf die Unterlippe und beugte sich vor. „Maggie weiß das eine oder andere über Kräuter“, raunte sie Helen zu. „Ebenso wie die alte Joan, die Heilerin. Vielleicht kennt sie etwas, das wir ihm einflößen könnten ...“
„Willst du wohl still sein“, zischte Helen, hielt ihr den Mund zu und schaute sich bang in der leeren Halle um. „So
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