Im Bett mit
den Schwergeprüften sein mochte. Da lauerte Gefahr, befand Penelope, schließlich war ja bekannt, alternde Helden konnten den Reizen unschuldig-junger Dinger nur schwer widerstehen.
Mitten in ihre Gedanken hinein tönten wieder einmal Lärm und Gelächter, das übermütige Kreischen der Mägde, das Grölen der Männer. Vor die Tür tretend, fand Penelope ihre unerfreulichen Gäste bei einem höchst fragwürdigen Spiel: Sie machten Jagd auf einen greisen Bettler, trieben ihn mit Stößen und Püffen von einem zum andern, stießen ihn wie einen Spielball zwischen sich hin und her. »Mach, dass du wegkommst, wir brauchen hier keine Schmarotzer!«, schrien die, die selbst wahre Schmarotzerkönige waren, wie der gefräßige Riese Iros: »Zieh Leine, du stinkendes Aas, alles was du hier kriegen kannst, ist ein Tritt in deinen verschrumpelten Hintern!«
Der Koloss hatte wohl Angst, die stets gut gefüllten Schüsseln teilen zu müssen. Angewidert machte Penelope der wüsten Szene ein Ende, forderte das heilige Gastrecht ein für den von Armut und Alter geplagten Greis. Mit zorniger Stimme befahl sie den Mägden, dem Alten, wie es Brauch war, die Füße zu waschen und ihn mit Speise und Trank zu versorgen. Doch die aufgeplusterten Gänse weigerten sich, den schmutzigen Bettler anzufassen – das würde sie später noch teuer zu stehen kommen. Einzig Eurykleia, die betagte Amme, fand sich bereit zu den notwendigen Diensten.
Penelope, von einer ihr unerklärbaren Unruhe getrieben, beobachtete nachdenklich, wie die Alte sich an den schmutzverkrusteten Beinen hochtastete, wie sie behutsam über eine Narbe hinstrich. Und dann kam, halbblind, gar noch der alte Hund des Odysseus herangeschlichen, umschnupperte den Greis ausgiebig und mühsam, legte sich schwanzwedelnd vor ihm auf den Boden. Er war ein Welpe gewesen, als Odysseus einst auszog, nun schien ihm irgendetwas an dem Alten zu gefallen.
Penelope kam – wie durch eine Eingebung – plötzlich zu einem Entschluss. Sie befahl Telemachos, den mächtigen Langbogen des Vaters aus der Halle zu holen, und verkündete, die Zeit der Entscheidung sei endlich gekommen. Wer immer diesen Bogen spannen und einen Pfeil durch die Löcher von zwölf Äxten schießen könne, sei der Erwählte, erklärte sie mit vor Erregung bebender Stimme. Gewiss, dieser Bogen war nicht leicht zu spannen – aber was, wenn einer von denen das Kunststück doch fertigbrachte? Die Freier aber lachten und klatschten sich auf die Schenkel. Endlich war es so weit! Die geforderte Aufgabe war wohl zu leisten, schließlich waren sie ja alle waffenerprobte Männer. Und jeder hoffte insgeheim, der vom Schicksal Begünstigte zu sein.
Doch einer wie der andere musste erkennen, dem Bogen des Odysseus war keiner gewachsen. So sehr sie sich auch plagen mochten, ein Versuch nach dem anderen schlug fehl. Wild fluchend gaben die Freier auf, entschlossen, die Hand der Frau zuletzt mit Gewalt zu nehmen. Sie staunten nicht wenig, als der Bettler in demütig gebeugter Haltung vor Penelope hintrat und bat, doch auch einen Versuch wagen zu dürfen. Die Frau stimmte zu, mit einer resignierenden Geste und tiefer Unruhe im Herzen. Der Alte griff nach dem Bogen – und da ging eine unerklärliche Veränderung mit ihm vor: Seine Gestalt straffte sich, das graue Gesicht verlor seine Furchen und nahm einen strengen, ja herrischen Ausdruck an. Und – er spannte den Bogen …
»Der Bettler will König werden!«, schrien die Freier entsetzt, als sie sahen, wie der Pfeil surrend durch die Löcher der Äxte fuhr. Penelope stand wie versteinert und rang die Hände, sah, wie der Mann, der nun ganz und gar nicht mehr greisenhaft wirkte, den nächsten Pfeil ergriff – und wieder und wieder den nächsten, und im Hof ein großes Gemetzel anfing, bis die Freier alle blutend am Boden lagen – und nicht nur sie, auch ihr Gefolge kam rasch zu Tode. Zu allem Überfluss bestand Telemachos, sich aufplusternd wie ein junger Hahn, darauf, dass auch die treulosen Mägde starben. Sie wurden an einem Schiffsseil aufgeknüpft, ein Vorgang, der seiner Mutter verhasst war. Natürlich konnte Kollaboration mit dem Feind nicht geduldet werden, doch ihr hätte es genügt, den schamlosen Dirnen zum Zeichen der Schande die Köpfe scheren zu lassen und sie zu den niedrigsten Arbeiten zu verbannen. Fassungslos stand sie inmitten des Chaos, das dieser Fremdling um sie herum angerichtet hatte. Ihr war, als sei Ares persönlich, der Kriegsgott, in ihr Leben
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