Im Blut vereint
Blick Platz gemacht hatte, den sie sowohl erschreckend als auch erregend fand. Und dann hatte John Lyons ihr den Fall
TransTissue
übertragen. Sie hatte so darauf gebrannt, ihm zu zeigen, was sie konnte.
Aber John Lyons hatte sie nur für seine Zwecke einspannen wollen. Er hatte gedacht, wenn er den Fall
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ihr übergab – einer frischgebackenen Anwältin und Mitarbeiterin auf Probe, die viel zu beweisen
und
viel zu verlieren hatte –, dann würde sie vor allem Wert darauf legen, es ihm recht zu machen, statt allzu gründlich in den zweifelhaften Geschäften ihres Mandanten herumzuschnüffeln.
Fürs Erste wollte sie sich jedoch nicht mit
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befassen, sondern mit John Lyons. Er hatte etwas zu verbergen.
Sie würde herausfinden, was es war. Um jeden Preis. Und der Preis konnte sehr wohl ihr Job bei LMB sein.
Alaska lag in seinem Korb. Nach dem flotten Lauf und dem reichhaltigen Frühstück döste er vor sich hin. Kate tätschelte ihn zum Abschied. Er klopfte mit dem Schwanz leicht auf den Boden.
Sie schloss die Haustür sorgfältig hinter sich ab und fuhr ins Büro. Es war neblig, aber hinter dem dichten Grau konnte man etwas Helles ausmachen. Die Sonne würde heute noch durchbrechen.
Kate fuhr auf eins der Parkdecks von LMB und eilte zum Fahrstuhl. Da kam ihr plötzlich ein Gedanke. Vielleicht hatte Bob Duggan gar nicht verlangt, dass sie von dem Fall abgezogen wurde. Vielleicht hatte John Lyons gelogen. Vielleicht wollte er ihr Selbstvertrauen untergraben, damit sie keine Fragen mehr stellte.
Himmel. Vielleicht, vielleicht, vielleicht. Sie blickte sich in der Spiegelwand des Fahrstuhls ins Gesicht. Kein »Vielleicht« mehr. Worin John auch verwickelt sein mochte, sie würde dafür sorgen, dass er nicht damit davonkam.
Sie hatte fünfzehn Jahre lang daran gearbeitet, sich ein neues Leben zu erschaffen. Das ließ sie sich von niemandem kaputt machen.
Es war Zeit, im Netz zu recherchieren, welchen Dreck ihr Mentor am Stecken hatte.
Dr. Marilla Olsen gab Ethan die Hand. Ihr Händedruck war herzlich, aber auch unnachgiebig. »Detective Drake, Detective Lamond, bitte setzen Sie sich.« Sie führte sie in ein Büro, dessen Tür sich in nichts von all den anderen im Südwest-Gang des GH 2 unterschied.
Ethan und Lamond nahmen auf den grünen Bürostühlen vor ihrem Schreibtisch Platz. Ethan schaute sich um. An der blassgrünen Wand hinter Dr. Olsen hingen zahlreiche gerahmte Abschlusszeugnisse und Urkunden. Auf dem Aktenschrank stand ein großes Foto. Das Bild zeigte zwei lachende kleine Mädchen. Eins trug eine Brille, das andere hatte einen buschigen schwarzen Haarschopf, der mitten auf dem Kopf von einem roten Haargummi gebändigt wurde. Die Augen des älteren Mädchens waren groß und standen weit auseinander – wie bei seiner Mutter.
Zwei kleine Töchter zu haben, mit denen er herumbalgen könnte, das würde ihm gefallen. Vor nicht allzu langer Zeit noch hatte Ethan gedacht, er würde in den nächsten Jahren Vater werden und mit Kate die Freuden und die schlaflosen Nächte teilen, die ein kleiner Drake ihnen bescherte.
Er wandte seinen Blick von dem Foto ab. Dr. Olsen setzte sich hinter ihren Schreibtisch und faltete die Hände. Sie trug keinen Ehering und auch sonst keinen Schmuck. Aus beruflichen Gründen, vermutete Ethan. Beim Hantieren mit den Bohrern und Sägen, die sie bei orthopädischen Eingriffen verwendete, war Schmuck sicherlich nur im Weg.
»Was kann ich für Sie tun, Detectives?« Ihr Tonfall war kühl, ihr Blick ebenfalls. Die Polizei wurde im GH 2 nie mit offenen Armen empfangen. Dr. Olsen, die Chefärztin der Chirurgischen Abteilung, hatte dem Gespräch nur sehr widerwillig zugestimmt. Sicher war sie von den Leuten, die in der Krankenhausverwaltung fürs Risikomanagement zuständig waren, vor dem Termin genau darüber aufgeklärt worden, was sie alles nicht erwähnen sollte. Jetzt saß sie hinter ihrem Schreibtisch und beobachtete sie mit einem Blick, der für ihre Ermittlungen nichts Gutes verhieß.
»Vielen Dank, dass Sie sich so kurzfristig Zeit für uns genommen haben, Dr. Olsen«, fing Ethan an. Es war sehr wichtig, genau den richtigen Ton zu treffen. Mit Einschüchterungsversuchen oder Forderungen würden sie die Chirurgin nur gegen sich aufbringen. Hier war Fingerspitzengefühl gefragt. Er musste ihr vermitteln, dass sie alle in ihren jeweiligen Berufen Bestleistungen zu erbringen versuchen, auf sehr unterschiedlichen Gebieten, die sich hier aber zufällig
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