Im Blut vereint
überschnitten. »Wir ermitteln wegen der Morde an mehreren jungen Mädchen.«
Sie hob leicht die Augenbrauen. »Meinen Sie die Tochter der Richterin?«
»Ja.«
Sie verdaute die Information schweigend. Keine Frau, die sich leicht verunsichern ließ.
»Und inwieweit betreffen Ihre Ermittlungen unser Krankenhaus?«, fragte sie schließlich.
»Aufgrund bestimmter Eigenheiten, die allen Fällen gemeinsam sind, vermuten wir, dass der Mörder über chirurgische Erfahrung verfügt.«
»Ich verstehe.«
Ethan wartete gar nicht erst ab, ob sie dieser nichtssagenden Antwort noch etwas hinzufügte. Sie würde es ganz sicher nicht tun. Also kam er gleich zum entscheidenden Punkt. »Wir wüssten gern, ob einer der Chirurgen an Ihrem Krankenhaus vor Kurzem gemaßregelt wurde oder sich auffällig verhalten hat.«
Er sah, wie ihre Hände ganz leicht zuckten.
Bingo.
»Wie Sie wissen, Detective Drake, unterliegen solche disziplinarischen Maßnahmen strengster Vertraulichkeit. Ich kann Ihre Frage also nicht beantworten.«
Lamond rutschte auf seinem Stuhl herum. Sie hatten beide mit dieser Antwort gerechnet. Allerdings hatte Ethan gehofft, dass sich Dr. Olsen angesichts der Brutalität der Morde als etwas redseliger erweisen würde.
»Dr. Olsen, drei Mädchen sind schon tot. Allen dreien wurden die Gliedmaßen entfernt.« Sie hielt seinem Blick stand, doch er meinte, einen Funken Unsicherheit in ihren Augen zu lesen. Er beugte sich vor. »Wir müssen den Täter fassen, bevor er noch ein Mädchen ermordet.«
»Das verstehe ich durchaus.« Ihre Hände wirkten verkrampft. »Aber Sie müssen auch verstehen, dass ich keine vertraulichen Informationen weitergeben darf.« Sie stand auf und kam um den Schreibtisch herum. »Es tut mir leid.«
»Bitte bedenken Sie, wie ernst die Lage ist. Der Mann sucht bereits nach der nächsten Beute. Und er weiß genau, was er tut.«
Ihre Miene blieb unbewegt. »Es tut mir leid, Detective.« Sie ging zur Tür. »Ich wünschte, ich könnte Ihnen helfen.«
Er versuchte es noch ein letztes Mal. »Dr. Olsen, Ihr Beruf ist es, Leben zu retten. Genau das versuche ich auch. Wir stehen auf der gleichen Seite.«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein, Detective, das tun wir nicht. Ich habe auch die Pflicht, meine Mitarbeiter zu schützen.« Sie hielt ihm und Lamond die Tür auf. »Einen schönen Tag noch.«
Er schaute zu dem Foto von Dr. Olsens Töchtern hinüber und wartete, bis ihr Blick seinem folgte. »Und ich habe die Pflicht, die Bevölkerung zu schützen.« Was er damit sagen wollte, konnte ihr nicht entgehen. Er wandte sich zur Tür. »Für den Fall, dass Sie es sich anders überlegen: Hier ist meine Karte.«
Sie nickte kurz. »Viel Erfolg, Detective.« Sie nahm die Visitenkarte und schloss direkt hinter ihnen die Tür.
»Verdammt«, murmelte Ethan. Er hatte gehofft, sie doch zum Reden zu bringen.
»Sie weiß etwas«, sagte Lamond leise.
»Ja. Aber wie finden wir raus, was?«
Schweigend gingen sie durch die langen Flure. Im Foyer kauften sie sich an einem der allgegenwärtigen Tim-Hortons-Stände Kaffee. Aber auch diese Riesenportion Koffein verhalf Ethan nicht zu einer neuen Idee. Sie fuhren mit dem Fahrstuhl in die Tiefgarage.
Ethan trank seinen Becher leer und warf ihn in einen Mülleimer. »Ich glaube, wir müssen noch mal von Grund auf neu ansetzen.«
»Na ja, ›von Grund auf‹ passt ja schon mal.« Lamond blickte sich in der Tiefgarage um.
Ethan quittierte den Witz mit einem flüchtigen Lächeln. Er wusste es zu schätzen, dass sein Kollege sich nicht entmutigen lassen wollte. »Auch ein Chirurg könnte die Leichen doch nicht in einem Operationssaal zerlegen, oder? Zu viele Menschen in der Nähe.«
Lamond starrte ihn an. »Ja. Da haben Sie recht. Also was meinen Sie, wo würde er es sonst tun? In seiner Garage?«
»Vielleicht …« Ethan wartete, bis sie wieder im Wagen saßen. »Oder er geht einfach dahin, wo sowieso ständig Leichen warten.« Er blickte Lamond von der Seite an.
Lamond stöhnte auf, und Ethan schlug ihm auf den Rücken. »Aber diesmal nicht kotzen!«
Sackgassen. Am laufenden Band.
Fürs Aufspüren von Sackgassen hatte sie offenbar ein Händchen.
Sie hatte eine fröhliche Jagd auf John Lyons hinter sich. Und er war ihr immer eine Nasenlänge voraus.
Sie betrachtete die Webseite des Registers der Aktiengesellschaften und drückte entmutigt die Entertaste. Sie hatte gehofft, in irgendwelchen amtlichen Unterlagen Hinweise auf John Lyons geschäftliche
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