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Im Blut vereint

Im Blut vereint

Titel: Im Blut vereint Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pamela Callow
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Gebäude herum, dann brachte er das Auto sanft neben dem Hintereingang zum Stehen.
    Es war keine Menschenseele in der Nähe. Das war zu erwarten gewesen; schließlich war es mitten in der Nacht. Aber man wusste ja nie.
    Er blickte nochmals durch die Windschutzscheibe nach oben. Wunderbar. Die Getreideheber waren leere Hüllen. In der Ferne hockten Kräne im Flutlicht der Scheinwerfer wie erstarrte Dinosaurier. Irgendetwas Weißes trübte ihre eigentlich scharfen Umrisse. Er runzelte die Stirn. Das Licht war sehr hell. Zu hell. Da erkannte man andere Dinge schlecht.
    Er stieg aus, schloss vorsichtig die Tür und ging zum Kofferraum. Sein Herz schlug schneller.
    Und setzte aus. Etwas raschelte. Er suchte die Fassade des heruntergekommenen Gebäudes ab, das über ihm aufragte. Die Fenster waren dunkel. War da oben jemand? Beobachtete ihn jemand aus dem Dunkeln heraus? Er starrte in die Fensternischen, die vom Flutlicht nicht erreicht wurden. Sein Blickfeld war von Weiß umsäumt. Er kniff die Augen zusammen. Da war es wieder. Eine Bewegung. Ein Rascheln.
    Seine Schultern lockerten sich, und er lächelte. Dieses Geräusch hätte er gleich erkennen müssen. Hatte er nicht viele Nächte lang genau hier auf sein Opfer gewartet?
    Die Ratte lief ohne Eile quer über die Zufahrt und verschwand. Ratten hatten ihm schon so viel Freude bereitet. Diese Spezies kannte er sehr gut. In- und auswendig.
    Ein Scheppern ließ ihn auffahren. Blitzschnell schaute er sich um. Nur die Ratte, sie war gegen die Mülltonne neben dem Gebäude gelaufen. Er atmete ruhiger.
    Zeit, sich zu konzentrieren. Er öffnete den Kofferraum. Schwaches Licht fiel auf seine Beute.
    Er war gut. Viel besser, als man ihm zutraute.
    Er griff in den Kofferraum. Seine Handschuhe hoben sich seltsam unscharf von seinen dunklen Ärmelaufschlägen ab. Er blinzelte. Die Unschärfe blieb. Er achtete nicht darauf. Endlich war es so weit. Hierauf hatte er mit viel Sorgfalt hingearbeitet. Diesen Moment würde er sich durch nichts verderben lassen. Der Reißverschluss des Kunststoffsacks öffnete sich so leise, dass er eher spürte als hörte, wie sich die Zähnchen voneinander trennten. Seine Hände glitten unter den leblosen Körper. Eine Hand unter den Hals. Die andere an die Leistengegend.
    Sie ließ sich leicht aus der Tasche heben, und ihr Körper fügte sich gut in seine Arme. Er schaute sich noch einmal um. Rings um den Kornspeicher standen Wohnhäuser. Ein amüsanter Kontrast, dass sich eine derart lärmige, von Ratten heimgesuchte Anlage in einer so teuren Wohngegend befand, aber der Grund war die Lage. Der Kornspeicher stand am Wasser. Die Häuser auch.
    Aus den Gebäuden drang kein Laut. Es war, als hätten sie gewusst, dass er kommen würde, und dafür gesorgt, dass ihre Bewohner nicht umherstreiften. Er beugte sich über seine Beute und ging rasch zur Hintertür des Kornspeichers. Blut tropfte herab und hinterließ vier dünne, glänzende Spuren.
    Perfekt. Man konnte sie nicht übersehen.
    Er legte seine Beute vorsichtig auf dem Boden ab und betrachtete sie ein letztes Mal.
    Ihre Augen blickten zum schwarzen Himmel hinauf. Der Blick war leer. Die Angst war durch die Drogen beseitigt worden; alles Weitere hatten seine Hände erledigt.
    Früher einmal waren diese Hände ohnmächtig gewesen. Nutzlos. Nicht in der Lage, ihn zu verteidigen.
    Nein. Denk jetzt nicht daran. Mach es nicht kaputt.
Er ballte die Fäuste, um die quälende Erinnerung zu vertreiben.
    Nicht jetzt!
Seine Fingernägel gruben sich in die Handflächen. Die Anstrengung war vergeblich, wie er genau wusste. Sein Geist war schon immer stärker gewesen als sein Körper.
    Er wehrte sich. Voller Wut. Aber er war nur acht, und unter den Hieben des Fünfzehnjährigen wurde er noch kleiner.
    »Du bist so ein Schwächling«, keuchte sein Bruder und schubste ihn.
    Er fiel vor ihm hin.
    »
Geh nie wieder an meine Sachen.« Tim wedelte mit seiner Trophäe vor ihm herum. Er schloss die Augen. Es war einfach zu viel. Es war nicht gerecht. Er ließ Tim doch immer in Ruhe. Er wagte sich nie in sein Revier vor. Aber dann zeigte sein Bruder ihm das Taschenmesser, das er bei einem Schulwettbewerb gewonnen hatte, und da konnte er nicht anders. So eins hatte er sich immer gewünscht. Aber er bekam so etwas nie. Schmerz und Neid regten sich in ihm. Er wollte es haben. Unbedingt. All diese sauberen, winzigen Werkzeuge, die man so ordentlich in diese unglaublich schmalen Schlitze klappen konnte. Er wollte dieses Messer

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