Im Blut vereint
hungrig zu fressen.
Kate wusste, dass sie auch etwas essen musste, obwohl sie keinen Appetit hatte. Wenn sie morgen früh wieder joggen wollte, brauchte sie Eiweiß. Außerdem lockte sie die Flasche Wein, die auf der Anrichte stand, und wenn sie den auf nüchternen Magen trank, würde sie auf dem Küchenfußboden wieder aufwachen.
Sie schob eine Packung Tiefkühllasagne in die Mikrowelle. Es war die letzte. Sie würde einkaufen müssen. Allein der Gedanke reichte schon, dass sie sich völlig fertig fühlte. Sie gehörte ins Bett. Sobald sie gegessen hatte, würde sie ein heißes Bad nehmen und schlafen gehen.
Alaska leckte ein letztes Mal seinen Futternapf aus und begann vor der Küchentür im Kreis herumzulaufen. Kate ließ ihn hinaus und sah zu, wie er über die hintere Veranda in den Hof trottete. Er liebte es, zwischen den verwilderten Sträuchern herumzuschnüffeln und die Katzen zu jagen, die manchmal durch den ungepflegten Garten schlichen. Sie wandte sich ab und goss sich ein Glas Wein ein.
Die Mikrowelle piepte. Kate nahm ihr Abendessen heraus. Der Nudelteig unter der unnatürlich roten Soße war pappig. Der Käse sah nicht braun und knusprig aus, sondern zäh.
Ein hohes Heulen zerriss die Luft.
Kate zuckte zusammen, und das Plastiktablett kippte. Die Lasagne rutschte über den Rand und fiel auf den Fußboden.
»Scheiße!«
Wieder das Heulen.
»Alaska?« Bisher hatte sie nie etwas anderes von ihm gehört als Winseln.
Es lief ihr kalt den Rücken hinunter. Sie ging um die Lasagne herum und öffnete die Tür zum Hof.
Alaska hockte unter der Verandalampe. Winzige Regentropfen funkelten in seinem Fell. Er hatte die Zähne gebleckt und gab ein tiefes Knurren von sich. Seine Ohren standen aufrecht und zitterten leicht.
Sie folgte seinem aufmerksamen Blick. Und erstarrte vor Schreck.
Eine Gestalt mit einer Kapuze auf dem Kopf huschte gerade aus ihrem Hof.
Kate rannte über die Veranda. Ein morsches Brett ächzte unter ihrem Gewicht. Alaska folgte ihr auf dem Fuße. In Strümpfen lief sie die Treppe hinunter, rutschte auf den bemoosten, regennassen Stufen aus und landete auf den Knien. Beim Aufstehen meldete sich ihr Verstand. Was tat sie da eigentlich? Sie durfte dem Kerl doch nicht nachrennen. Das war Sache der Polizei. Außerdem war es längst zu spät – der Eindringling war verschwunden.
»Verdammt.« Sie stand keuchend im Hof. Die Straße war leer. Still. Dunkel. Falls es irgendwo Fußabdrücke gab, wusch der Regen sie soeben fort. Kate schlang die Arme um sich.
Alaska stieß sie mit der Nase am Oberschenkel an, und sie tätschelte ihn. »Braver Hund.« Langsam ging sie ums Haus herum. Es tat gut, Alaska dabeizuhaben, auch wenn er anscheinend nicht das Zeug zum Kampfhund hatte.
Sie wünschte, sie hätte eine Alarmanlage, aber die würde sie sich frühestens in einem Jahr leisten können. Das undichte Dach war wichtiger gewesen. Ebenso die undichten Wasserleitungen in der Küche. Sie kehrte ins Haus zurück. Alaska flitzte an ihr vorbei, geradewegs zur Lasagne. Sekunden später war nichts mehr davon übrig. Aber Kate hätte sowieso nichts essen können. Vor Angst war ihr Magen völlig verkrampft.
Ethan. Er war sicher zu Hause. Sie konnte ihn anrufen, und innerhalb von fünf Minuten wäre er hier. Als Polizist würde er dafür sorgen, dass sie in Sicherheit war.
Ja, in Sicherheit. Aber verziehen wäre ihr nicht.
Kate schluckte, griff nach dem Telefon und wählte die 911.
Schon nach dem ersten Klingeln wurde abgehoben.
»Ich möchte einen Eindringling melden«, sagte Kate.
6
Montag, 30. April, 6:21 Uhr
Kate sah zu, wie Alaska über das nasse Gras im Point Pleasant Park trottete. Der Park grenzte ans Meer; auf der einen Seite verlief die Zufahrt zum Hafen von Halifax, auf der anderen der lange schmale Northwest Arm. Hier tummelten sich im Sommer Schlauchboote, Yachten und Ausflugsdampfer, von denen aus man die terrassenförmig angelegten Anwesen mit den prächtigsten Häusern von Halifax bewundern konnte.
Kate erhöhte ihr Lauftempo. Himmel, fiel ihr das heute schwer. Ihr Körper wollte einfach nicht. Aber es musste sein. Sie musste endlich aufhören, an Ethan zu denken. Am Samstag war sie mit pochenden Kopfschmerzen aufgewacht. Die Jagd auf den Eindringling, die Aussage bei der Polizei, dazu der Streit mit Ethan – all das hatte einen heftigen Kater hinterlassen. Zum ersten Mal seit Monaten hatte sie ihre samstägliche Joggingrunde ausfallen lassen, und die Runde am Sonntagmorgen
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