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Im Blut vereint

Im Blut vereint

Titel: Im Blut vereint Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pamela Callow
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haben. Er wollte wie das Messer sein. Sich zusammenklappen können. Und dann plötzlich herausspringen, ganz präzise, ganz mutig, und jeden verblüffen.
    Er wälzte sich von seinem Bruder weg und rollte sich zu einer Kugel zusammen. Eines Tages würde er es ihnen zeigen. Eines Tages.
    Und er hatte es ihnen gezeigt. Er hatte bewiesen, dass seine Mutter unrecht gehabt hatte. Dass sein älterer Bruder nicht der einzige Begabte in der Familie war.
    Ein tiefes Dröhnen erfüllte die Luft. Auf dem Viadukt raste ein Zug vorbei. Er ignorierte ihn und strich über den hellen Streifen im schwarz gefärbten Haar der Toten. Dann richtete er sich auf und bewunderte sein Werk.
    Es war makellos. Wie einfach ihre Gliedmaßen sich vom Rumpf hatten trennen lassen. Nirgendwo gab es unebene Ränder. Keine herabhängenden Muskelfasern, keine losen Sehnen. All das hatte er sorgfältig entfernt. Nun waren nur noch saubere Knochen und glatte Schnittflächen zu sehen.
    Er nickte zufrieden. Sie lag ganz gerade da. Die Brustwarzen ihres kleinen Busens formten mit dem dunklen V ihrer Lenden ein symmetrisches Dreieck. Deshalb mochte er die Jüngeren so viel lieber. Da gab es keine altersbedingten Verformungen. Und unter der Haut warteten auch weniger Überraschungen. Die Muskeln waren fest, die Knochen stabil.
    Die Gelenkpfannen an Schultern und Hüften glänzten nass in der Dunkelheit. Unter ihnen bildeten sich Pfützen von Blut, das langsam gerann – dunkle Schatten, die an die verlorenen Gliedmaßen erinnerten.
    Er zwang seine Erregung nieder. Wie lange würde der Gerichtsmediziner wohl brauchen, um die kleine Botschaft zu entdecken, die er in ihre Schulterpfanne geritzt hatte?

8
    Dienstag, 1. Mai, 6:25 Uhr
    Ethan lenkte seinen Jeep an der Autoschlange vorbei, die ihm aus der Richtung des Kornspeichers entgegenkroch. Das mussten die Arbeiter von der Frühschicht sein. Ein Streifenpolizist winkte sie am Gebäude vorbei, doch sie fuhren im Schritttempo und reckten die Hälse, um einen Blick hinter das leuchtend gelbe Absperrband rings um den Fundort zu erhaschen. Einige nippten zugleich an Kaffeebechern, andere rauchten nervös. Manche hatten das Handy am Ohr und telefonierten aufgeregt.
    Ethan seufzte. Es würde nicht lange dauern, bis sich die Nachricht verbreitete.
    Zum Glück konnten die Leute nichts erkennen. Darüber war Ethan froh. Sonst allerdings über nichts. Vor achtundzwanzig Minuten hatte ihn Detective Sergeant Deb Ferguson angerufen. »Eine Leiche, vermutlich Mord, am Kornspeicher«, hatte sie ihm mitgeteilt. »Der Nachtwächter hat es eben per Telefon gemeldet.«
    Ethan hatte sich auf die Bettkante gesetzt und müde auf den Wecker geschaut. 5:55 Uhr. Es fühlte sich an wie 3 Uhr morgens. Er musste unbedingt früher ins Bett gehen. Bis spät in die Nacht durch zweihundert Satellitenkanäle zu zappen tat einfach nicht gut. Zumal er sich gar nichts aus Fernsehen machte.
    »Das Dreieck sieht so aus«, fuhr Deb fort. Damit meinte sie das Ermittlungsdreieck, das Modell, nach dem sie bei einem Fall die Kompetenzen verteilten. Er setzte sich auf. »Sie leiten die Ermittlungen.« Eine kurze Pause. Hoffte sie etwa auf ein Dankeschön? Er wartete seit Monaten darauf, wieder als Hauptermittler eingesetzt zu werden. Seit dem Fall Clarkson. Seit Randall Barrett eine interne Untersuchung zu Ethans Umgang mit dem Zeugen in die Wege geleitet hatte.
    »Alles klar.« Er bemühte sich um einen nüchternen Tonfall, aber innerlich verspürte er tiefe Befriedigung. Er gehörte wieder zur Truppe. Nein, besser noch, er stand wieder an der Spitze.
    Er stand auf. »Ist der Fundort gesichert?«
    »Sie sind gerade dabei. Der Sergeant von der Streife riegelt das Gebiet ab. Ich habe ihn angewiesen, das gesamte Grundstück zu sichern. Wir wollen keinen zweiten Fall Surette erleben.«
    Ethan verzog das Gesicht. Es hatte lange gedauert, bis über diesen Fall Gras gewachsen war. Ein unerfahrener Streifenpolizist hatte seine Absperrung um die Leiche des Gangopfers David Surette damals in einem Abstand von einem Meter gezogen. Fünfzehn Meter davon entfernt hatte ein Kind dann die Patronenhülsen gefunden und sie anderntags im Schulunterricht vorgezeigt. Der Lehrer hatte die Polizei informiert.
    »Ich bin in einer halben Stunde da«, sagte Ethan und ging in Richtung Badezimmer.
    Deb schwieg einen Augenblick. »Das ist eine üble Sache, Ethan.«
    Ihr Tonfall weckte Ethan aus seiner morgendlichen Benommenheit. »Ja?«
    »Ein junges Mädchen,

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