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Im Blut vereint

Im Blut vereint

Titel: Im Blut vereint Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pamela Callow
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der Zimmerecke war und dass auf dem Tisch noch die Schale mit den Pillen und ein Karton mit Tütchen standen. Sie war gerade beim Abzählen gewesen, als es unten geklopft hatte.
    Shonda setzte sich auf einen der Stühle, die sie aus dem Sperrmüll gefischt hatte. Der Vinylbezug hatte in der Mitte der Sitzfläche einen großen Riss, aber besser als nichts war es trotzdem. Die Anwältin setzte sich auf den anderen Stuhl. Er wackelte, als sie die Beine übereinanderschlagen wollte, und sie stellte beide schmalen Füße auf den Boden und blickte Shonda aufmerksam an.
    »Sie kannten Lisa MacAdam?« Die kam gleich zur Sache.
    »Ja.«
    »Haben Sie sie in der Mordnacht gesehen?«
    Shonda zwang sich, der Anwältin in die Augen zu blicken. »Ja.«
    Die Anwältin beugte sich vor. »Wann?«
    Shonda verschränkte die Arme vor der Brust. »Wissen Sie, ich hab das alles schon den Cops erzählt.«
    »Ich bin kein Cop, Shonda.« Kate Lange verzog ein wenig den Mund. »Ich möchte nur wissen, was genau passiert ist.«
    »Ich hab Lisa ein paar Pillen verkauft, und danach wurde sie ermordet.« Sie zuckte die Schultern. »Genau wie die anderen.«
    »Auf die anderen kommen wir gleich. Um wie viel Uhr haben Sie Lisa die Pillen verkauft?«
    »So um zehn vielleicht.« Shonda zuckte wieder die Schultern. »Scheiße, so genau weiß ich das nicht.«
    »Nehmen wir mal an, es war um zehn. Was ist dann passiert?«
    »Lisa hat die Pillen genommen. Sie ist mit ein paar Freunden weitergezogen. Sie wollten zu irgendjemand nach Hause.«
    »Und dann?«
    Immerhin war die Frau nicht ausgetickt, weil sie Lisa Pillen verkauft hatte. Shonda lehnte sich auf dem Stuhl zurück und fing an, an dem Loch in ihrem T-Shirt herumzuspielen. »Sie war high. Ich habe sie später noch mal gesehen. Da war sie allein.«
    »Was hat sie gemacht?«
    »Sie wollte zu Fuß nach Hause.« Sie hatte Lisa die Straße entlanghüpfen sehen. Bei ihr war sie stehen geblieben und hatte noch mal für zwanzig Dollar Stoff gekauft, danach war sie Richtung Süden davongegangen.
    »Da haben Sie sie das letzte Mal gesehen?«
    Oh Mann, wie viele Fragen hatte diese Frau denn noch? Shonda war es nicht gewohnt, so lange mit jemand zu reden. »Ja.«
    »Erzählen Sie mir von den anderen Mädchen.«
    Die Anwältin sah Shonda unverwandt an. Ihre Augen waren ganz klar. Wie Wasser. Wie Kinderaugen. Die Augen der anderen Mädchen waren stumpf und hart, wie alte Murmeln. »Es sind noch zwei andere Mädchen verschwunden.«
    »Seit wann?«
    Shonda dachte nach. Seit wann? Sie fragte sich schon lange nicht mehr, welcher Monat gerade war. Wichtig war nur noch, was heute geschah. Wann sie aufstand, wann sie aß, wann sie dealte, wann sie high war. Das war’s.
    »War es vor Kurzem?«, fragte Kate Lange. »In den letzten Monaten?«
    Shonda schüttelte zögernd den Kopf. »Nein. Vangie ist verschwunden, da war ich fünfzehn.«
    »Wie alt sind Sie denn jetzt?«
    »Siebzehn.« War das etwa Überraschung im Gesicht der Frau? Shonda zog die Schultern hoch.
    »Also ist dieses Mädchen schon vor ein paar Jahren verschwunden?«
    »Ja. Sie ist zu so einem Typ ins Auto gestiegen, und dann hat sie keiner mehr gesehen.«
    An diese Nacht konnte sie sich noch gut erinnern. Vangie hatte in ihrem Zimmer gehockt, völlig zugedröhnt. Wenn Shonda das vorher gewusst hätte, wäre sie nie zu ihr in die Wohnung gegangen. Aber es war eine eisig kalte Nacht im September, ihre Kleidung war vom Nebel schon völlig durchnässt, und es hatte noch nicht einmal zu regnen begonnen. Sie wollte nicht noch eine Nacht zusammengekauert in der Unterführung verbringen. Diese feuchte Luft, die Kälte, die Dunkelheit. Es war immer dasselbe. Es wurde nie besser.
    Sie hatte gehofft, dass Vangie ihr helfen würde. Aber Vangie hatte zu viel Crack genommen und Darrell war stocksauer, weil sie zusammengekrümmt vor dem schmutzigen Bett hockte, die Haare ihrer Perücke im Gesicht, ein einziges Wirrwarr.
    Als Darrell Shonda bemerkte, drehte sich ihr bei seinem Gesichtsausdruck der Magen um. Sie stand im dunklen Wohnzimmer, unsicher, ob sie einfach wieder gehen sollte, aber die Wärme dort in der Wohnung verleitete sie zum Bleiben. Dann sprach Darrell die Worte aus, die vermutlich schon länger in seinem kleinen Hirn heranwuchsen wie Maden. »Wenn Vangie nicht arbeiten geht, dann machst du’s eben.«
    Shonda verlor keine Zeit. Sie ging in Vangies Zimmer. Vangie kniete auf dem Boden, den Kopf auf der Matratze. Zwischen ihren Fingern steckte ein Glasröhrchen

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