Im Blut vereint
sich im Zimmer um. »Haben Sie Telefon?«
Shonda stand auf und klopfte sich auf die Hosentasche. »Ich hab ein Handy. Ich geb Ihnen die Nummer.« Sie diktierte, und die Anwältin schrieb mit. Dann gingen sie zur Haustür. Shonda öffnete die Sicherheitskette und warf erst einen Blick auf die Straße, bevor sie die Frau vorbeiließ.
»Bis dann also.«
Kate Lange blieb auf dem Bürgersteig stehen. »Shonda, wenn Sie noch etwas beschäftigt, rufen Sie mich an. Ich helfe Ihnen gern.«
Du kannst mir nicht helfen, schoss es Shonda durch den Kopf. Sie hielt sich am Türrahmen fest. Scheiße, sie brauchte jetzt dringend was. »Okay.«
»Auf Wiedersehen.«
Shonda schloss die Tür und lehnte sich dagegen. Darrell würde bald zurück sein. Sie musste schleunigst die Beutel füllen.
22
Auf der Rückfahrt zum Büro schaltete Kate das Radio ein, hörte aber nur zerstreut zu. In Gedanken war sie bei dem Gespräch mit Shonda. Das Mädchen mochte ein Junkie sein, aber ihre Sorge um die verschwundenen Freundinnen war echt. Kate ließ die Fakten noch einmal Revue passieren. Das erste Mädchen wurde seit eineinhalb Jahren vermisst: Vangie Wright. Im Februar war dann eine weitere Prostituierte namens Karen verschwunden. Aber sie war offenbar erfroren … damit war sie aus dem Spiel. Und die letzte junge Frau – Krissie Burns – war vor gerade mal sechsunddreißig Stunden verschwunden. Alle drei Mädchen hatten keinen festen Wohnsitz und waren drogenabhängig. Sie führten ein unstetes Leben und konnten leicht durch die Maschen der Behörden geschlüpft sein. Das musste nicht heißen, dass sie einem Verbrechen zum Opfer gefallen waren.
»Und hier eine Sondermeldung«, verkündete die Nachrichtensprecherin im muntersten Tonfall. »In Halifax geht ein Serienmörder um!« Sie machte eine dramatische Pause.
Kate schüttelte den Kopf. Die Radiosender mussten ja verzweifelt auf Hörerfang sein, wenn sie solche reißerischen Ankündigungen für nötig hielten.
»Gestern haben wir berichtet, dass die Leiche einer jungen Frau aufgefunden wurde. Die Todesumstände sind ungeklärt«, fuhr die Sprecherin in einem Tonfall fort, der wohl Seriosität vermitteln sollte.
Kate wurde kalt. Sie drehte das Radio lauter. »Von Personen, die sich in der Nähe des Fundorts befanden, war nun zu erfahren, dass die junge Frau auf ähnliche Weise umgebracht wurde wie das fünfzehnjährige Mordopfer Lisa MacAdam.«
Die Ankündigung, dass ein Serienmörder den Einwohnern von Halifax nachstellte, schien plötzlich längst nicht mehr so absurd. Konnte es sich bei dem Opfer um die Prostituierte handelte, die laut Shonda Samstagnacht verschwunden war?
Mit Herzklopfen wartete Kate auf weitere Einzelheiten. »Und nun zum Sport«, sagte die Sprecherin.
»Verdammt«, murmelte Kate. So lange sie nicht wusste, wer das Mordopfer war, würde ihr die Vermisste Krissie Burns keine Ruhe lassen. Sie eilte zurück ins Büro. Ohne sich um E-Mails oder sonstige Botschaften zu kümmern, schaute sie auf den lokalen Nachrichtenseiten im Internet nach. Sie fand jedoch nichts, was sie nicht schon im Radio gehört hatte.
Was sollte sie jetzt machen?
Ethan anrufen.
Nach ihrem letzten Treffen war das allerdings das Letzte, was sie wollte.
Sie könnte die Polizei anrufen.
Sie biss sich auf die Lippe. Was das wohl für ein Telefongespräch werden würde. »Ja, ich bin die Anwältin, die die Großmutter des ersten Mordopfers schlecht beraten hat und dann gemeldet hat, dass das Mädchen vermisst wird. Ich bin auch die Exverlobte von einem Ihrer Detectives. Sie wissen schon, die Frau, die ihn am Silvesterabend vor allen Kollegen in diese peinliche Situation gebracht hat. Jetzt habe ich Informationen, die möglicherweise beweisen, dass ihr Jungs nicht gerade auf Zack seid … oder zumindest Vicky nicht.«
Das würde ihnen sehr gefallen. Und Randall ebenfalls. Seine mahnenden Worte schossen ihr durch den Kopf. »Tun Sie im Fall
TransTissue
Ihr Bestes.« Sie wartete zwar noch auf eine Rückmeldung von John Lyons zu ihrem Memo, hatte aber in der ganzen letzten Woche kaum über die Klage gegen
TransTissue
nachgedacht. Nicht einmal den Stapel von Hintergrundmaterial auf ihrem Schreibtisch hatte sie bisher durchgearbeitet. Und wenn sie John Lyons wirklich beeindrucken wollte, müsste sie unbedingt ausarbeiten, welches Beweismaterial sie brauchen würden, um die Position ihres Mandanten zu untermauern. Kate fühlte Panik in sich aufsteigen. Sie wollte bei diesem Fall mitwirken. Sie
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