Im Blut vereint
Finn?«
»Jaja.« Shondas Stimme verebbte.
Warum fragte Finn Lisas Freundin aus? Kate dachte an Lisas Beerdigung zurück. Sie war sicher gewesen, dass er der Mann war, der ihr zu Hilfe geeilt war. Aber er hatte das bestritten. Und nun spielte er den Privatdetektiv. Warum? Ethan würde toben vor Wut, wenn er erfuhr, dass da jemand in seinem Fall herumschnüffelte.
Shondas rasche, schwere Atemzüge drangen an Kates Ohr. Der Kontakt war fast schon abgerissen. Sie musste sich konzentrieren und Shonda dazu bringen, sich auch den Rest anzuhören. Sie wollte die Sache endlich hinter sich bringen. »Ich habe das Bestattungsinstitut gefunden, wo Karen Fawcett eingeäschert wurde. An ihrem Tod war nichts Verdächtiges.«
»Aha …« Das war kaum mehr als ein Murmeln.
»Das ist schon mal gut. Aber, Shonda, wie es scheint, haben Sie die Mordopfer gekannt. Sie müssen vorsi…«
Shonda hatte aufgelegt.
Kate sah aus dem Autofenster. Der Verkehr war nun weniger dicht. Hätte sie Shonda darauf hinweisen sollen, dass es zwischen den Morden an Krissie und Lisa eine Verbindung gab?
Nein. Darüber hatten die Medien schon berichtet. Und es war Aufgabe der Polizei, die Mädchen zu warnen. Wenn sie unabsichtlich die Ermittlungen störte, würde sie sich selbst nie mehr in die Augen sehen können.
Ihr nächstes Telefonat war deutlich kürzer. Marian MacAdam hörte sich ihren Bericht fast kommentarlos an. »Vielen Dank, dass Sie sich darum gekümmert haben«, sagte sie anschließend. »Ich finde es schade, dass Sie nicht mehr herausfinden konnten. Zumal jetzt auch noch diese Prostituierte ermordet aufgefunden wurde.«
»Ich bin ja kein Detective, Mrs MacAdam.« Die Uhr am Armaturenbrett zeigte an, dass es schon nach halb sechs war, und sie saß immer noch am Straßenrand im Auto. »Und meines Wissens geht die Polizei diesen Hinweisen durchaus nach. Dort ist man nicht auf meine Hilfe angewiesen.«
»Nein.« Marian MacAdam klang plötzlich müde. »Das sicher nicht.« Sie hielt kurz inne. »War das alles, Ms Lange?«
Für Marian MacAdam würde es nie genug sein. Nichts würde je den Graben füllen, den die Schuldgefühle in ihr hinterlassen hatten. Kate verstand das sehr gut. Ihr eigener Graben war noch genauso tief wie vor fünfzehn Jahren.
»Ja«, sagte sie leise.
Das Zimmer staubte bereits ein. Selbst im schwachen Licht der Abenddämmerung konnte Hope Staubpartikel in der Luft schweben sehen, ungerührt, von ihrer Anwesenheit unbeeindruckt.
Ihr Herz pochte wie wild.
Beruhige dich. Du schaffst das.
Sie musste es tun. Sie musste Marian beweisen, dass sie sich mit Lisas Hinterlassenschaft befassen konnte. Dass sie keinen Grund hatte, sich Vorwürfe zu machen.
Gestern hatte Hope in ihrem Postfach im Büro eine kurze Nachricht vorgefunden.
Ich möchte die Spieldose wiederhaben, die ich Lisa zu ihrem achten Geburtstag geschenkt habe.
Der Zettel war nicht unterzeichnet gewesen.
Hope hatte ihn zerknüllt und in den Mülleimer geworfen. Heute hatte sie nach der Rückkehr drei Gläser Scotch getrunken. Zum Abendessen leerte sie noch eines. Schließlich stand sie schwerfällig auf. Ihre Beine trugen sie nur widerwillig die Treppe hinauf, und als sie den Treppenabsatz vor Lisas Zimmer erreichte, klopfte ihr Herz so heftig, dass sie stehen bleiben musste. Sie lehnte sich an die Wand.
Du musst es tun. Du kannst Marian nicht gewinnen lassen.
Sie tat den ersten Schritt in Lisas Zimmer. Überall war noch Fingerabdruckpulver zu sehen. Wie lächerlich. Da nahmen die Cops in Lisas Zimmer Fingerabdrücke, dabei hatten sie gar nichts, womit sie sie hätten vergleichen können. Auf Lisas Leiche war kein einziger Fingerabdruck gefunden worden.
Ihr Blick fiel auf Lisas Bett. Es war ungemacht. Die hellgrüne Tagesdecke aus Chenille lag zerwühlt am Fußende, und an den Falten im Laken war noch der Abdruck von Lisas Körper zu erkennen. Sie trat näher. Und blieb wieder stehen. Es war viel wahrscheinlicher, dass die Cops diese Unordnung hinterlassen hatten, als sie das Bett nach Drogen absuchten.
Hope fühlte sich so schwach, dass sie am liebsten zu Boden gesunken wäre. Wütend auf sich selbst durchquerte sie das Zimmer. Hölzern. Wie eine Marionette. Sie zwang sich, das zu betrachten, was von Lisas Leben übrig geblieben war. Die Poster an der Wand – wann hatte Lisa den Andy Warhol gekauft? Ihr wurde bewusst, dass sie seit Wochen nicht in Lisas Zimmer gewesen war. Vielleicht sogar seit Monaten.
Sie würde jetzt nicht weinen. Denn sonst
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