Im Blut vereint
unverkennbar die Klageschrift von Brad Gallivant. Dann bemerkte sie ein weiteres Schriftstück, an dem ein blassblaues Dreieck befestigt war. Sie straffte die Schultern. »Also ist die andere Verteidigungsschrift eingereicht worden?«
»Ja, wir haben sie eben erhalten.« John reichte ihr das Dokument.
Sie blätterte es durch. »Keinerlei Überraschungen, soweit ich sehe.« In dem Schriftstück behaupteten Dr. Ericson, der orthopädische Chirurg, der Brad Gallivant am Knie operiert hatte, und das
Greater Halifax General Hospital
, in der Stadt auch als GH 2 bekannt, die vom Kläger erlittenen Schäden seien allein auf das von
TransTissue
gelieferte Leichengewebe zurückzuführen. »Wo liegt das Problem?«
»Ich habe eben mit dem Anwalt der Gegenseite gesprochen. Morris MacNeil.« Kate wartete auf das Grinsen, mit dem John sonst immer auf diesen Namen reagierte. Heute blieb es aus. Stattdessen blickte John sie prüfend an. »Er sagt, es gäbe in den USA einen Fall, der unsere Verteidigung komplett aus den Angeln hebt. Und außerdem …«
Ein Fall, der ihr entgangen war? Sie spürte, wie sie zu schwitzen begann.
Sie zwang sich, ruhig zu bleiben. Morris MacNeil stand in dem Ruf, oft heiße Luft von sich zu geben. Sie hob die Augenbrauen. »Und außerdem?«
»Außerdem hat er angeblich einen weiteren Kläger. Noch jemand, der behauptet, durch einen Knochenfüller Hepatitis C bekommen zu haben. Eine junge Frau namens Denise Rogers.«
»Aha.« Das wurde von Minute zu Minute schlimmer. »Wann wollen sie die Klage einreichen?«
»Morris sagt, die Klageschrift würde gerade vorbereitet.«
»Und was ist das für ein Fall in den USA ?« Es ärgerte sie, dass sie fragen musste. Eigentlich hätte sie die Antwort wissen müssen. Sie hätte diesen Fall selbst ausgraben müssen. Die Sachlage analysieren, die Informationen in einem Memo aufbereiten und es John Lyons präsentieren. Bevor Morris MacNeil John angerufen und ihn unvorbereitet erwischt hatte.
Für ihren Mentor musste das peinlich gewesen sein. Er hatte sich auf sie verlassen, und sie hatte ihn enttäuscht. Ihre Wangen glühten.
»Laut Morris hat das Berufungsgericht in den USA vor Kurzem zugunsten eines Klägers entschieden, der durch eine Transplantation von Leichengewebe mit Syphilis infiziert wurde.«
»Beim gleichen Eingriff?«
»Ja.«
»Verstehe«, sagte sie leise. Auch wenn kanadische Gerichte Urteile nach US -amerikanischem Recht nicht als Präzedenzfälle anerkannten, konnte diese Entscheidung durchaus Gewicht haben, weil es dabei um die gleichen hochmodernen medizinischen Verfahren ging.
»Wie hat der Kläger bewiesen, dass er durch das Gewebe mit Syphilis infiziert wurde?«, fragte Kate. »Normalerweise dürfte es doch schwierig sein, eine sexuell übertragbare Krankheit eindeutig auf eine Knieoperation zurückzuführen.«
»Sie konnten zeigen, dass die Gewebeverarbeitung mangelhaft war.« John beugte sich vor. »Wie viele Fälle aus den USA haben Sie sich für unsere Verteidigung angeschaut?«
Kate richtete sich auf. »Mehrere, aber sie haben nicht viel hergegeben. Die Krankheitsursache ließ sich nie eindeutig ermitteln. Die Unternehmen, die das Gewebe verarbeitet hatten, wurden in keinem der Fälle verurteilt. Mir schien unsere Verteidigung sehr solide.«
»Bis dieser Fall aufgetaucht ist.«
War das ein Vorwurf? Wieder wurde sie rot. »Ich werde gleich eine Onlinesuche zu dem Fall durchführen.« Es ärgerte sie, wie kleinlaut das klang. »Aber wenn das Urteil tatsächlich darauf basiert, dass die Gewebeverarbeitung mangelhaft war, können wir unseren Fall klar abgrenzen.«
John drehte seinen Stift zwischen den Fingern. »Ich denke auch, dass es da kein Problem gibt«, sagte er langsam. »Aber jetzt will Morris zu
TransTissue
rausfahren und die Produktionsanlage persönlich in Augenschein nehmen.«
Freche Bande. »In Ordnung. Und wir werden natürlich eine Ermittlung gegen Brad Gallivant anstrengen, um herauszufinden, ob er sich auf einem anderen Weg mit Hepatitis C angesteckt haben kann.« Kate lächelte ihn vorsichtig an.
John erwiderte das Lächeln, und Kate entspannte sich. Er würde ihr das nicht nachtragen. »Sie können wohl Gedanken lesen. Ich werde bei
TransTissue
anrufen und eine Besichtigung arrangieren. Wie steht es mit der Chirurgie-Expertin?«
Kate atmete langsam aus. »Sie hat zugesagt. Sie hat sich Brad Gallivants Krankenakte schon angesehen und meint, dass darin keine Bluttransfusion erwähnt wird. Also hat er sich die
Weitere Kostenlose Bücher