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Im Blutkreis - Roman

Im Blutkreis - Roman

Titel: Im Blutkreis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Limes
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in Frage. Ich bezahle, wenn ich meinen Pass abgestempelt wiederhabe.«
    »Tut mir leid, Bruder, aber das ist unmöglich.«
    »Ich bin nicht dein Bruder. Wir haben unsere Zeit verschwendet. Auf Wiedersehen.«
    Nathan öffnete die Tür des Landrovers.
    »Okay, okay, mein Freund, du bezahlst, wenn wir ankommen!«, sagte Hischam mit breitem Lächeln.
    »Wer garantiert mir, dass du nicht versuchen wirst, mich übers Ohr zu hauen?«
    »Weißt du, was ein Sudaner im Monat verdient? Wir haben Ehrgefühl. Hast du dein ganzes Gepäck bei dir?«
    »Ja.«
    »Was hast du dort unten vor, Bruder?«
    »An deiner Stelle«, sagte Nathan, »würde ich solche Fragen vermeiden.«
    »Okay, du bist der Chef. Fahren wir!«
     
    Hischam ließ den Motor an, und sie fuhren langsam auf die Piste, die am See entlangführte. Als die Nacht hereingebrochen war, bogen sie in die Wüste ab, um die Polizeisperren zu umgehen, und nahmen dann die Straße nach Abu Simbel.
    Zwei Stunden später verließ der Hüne plötzlich die Piste und fuhr zu einem Fischerdorf am Ufer des Sees. Er ließ den Wagen am Eingang des Weilers stehen, und sie gingen zu Fuß die letzten Meter, die sie vom Ufer trennten. Eine blauweiße
Feluke, deren großes Segel schlaff am Mast hing, wartete am äußersten Ende einer Sandbank in der Nacht auf sie. Hischam zog die Schuhe aus, sprang an Bord und forderte Nathan auf, sich zwischen die Netze zu setzen, die nach getrocknetem Fisch rochen.
    Behände machte er die Leinen los und schob das Boot mit der nackten Fußsohle vom Ufer weg. Das Segel knatterte in der leichten Brise und blähte sich. Geräuschlos entfernten sie sich über die schwarzen Wasser des Sees.
    Schon bald konnte Nathan die geisterhaften Umrisse anderer Feluken erkennen, die über die Wellen glitten, und ihre kleinen Wärmepfannen, die im letzten Schatten rötlich glühten.
    In diesem Augenblick dachte er an den Nil, der mehrere tausend Kilometer weiter südlich entsprang, in den schweren Wolken des Äquators mit ihren Millionen Regentropfen, die über die Erde Afrikas rannen, um sich mit den Tränen und dem Blut der Menschen zu vermischen. Er dachte an diesen gewaltigen Fluss, dessen Lauf er so lange hinauffahren würde, bis er die Wurzeln des Bösen ausgerissen haben würde.
    51
    Sie erreichten die sudanesische Küste am folgenden Abend gegen neun Uhr. Sie waren eine Nacht und einen Tag gesegelt, angetrieben von einer lauen Brise, die von den Vorgebirgen des Sees wehte. Das Auge unverwandt auf den Horizont gerichtet aus Angst vor den Militärpatrouillen, hatte Hischam eine Mahlzeit aus Reis und getrockneter Fischbrut zubereitet, die sie im Schatten des großen, verschlissenen Segels verschlungen hatten.
    Später hatte Nathan, als er die Küste vor sich hatte auftauchen sehen, angenommen, dass sie an Land gehen würden, um
auf der Straße an ihr Ziel zu gelangen, aber die Feluke hatte ihren Weg nach Süden fortgesetzt.
    Zuerst ebenso weit und blau wie ein Ozean, dessen Küste man nicht sieht, hatte der See sich nach und nach verengt, während es immer dämmriger geworden war, und jetzt kamen sie in das schlammige und stehende Wasser des Nils. Der Wind ließ nach, so dass das Boot auf der Wasseroberfläche festzukleben schien. Nathan sah Hischam an, der, während er auf das grüne Laub des Ufers zusteuerte, auf irgendetwas in der Dunkelheit deutete. Nathan folgte seiner Hand mit dem Blick, konnte aber zunächst nur ein paar schwankende Lichter erkennen; dann tauchten zwanzig Meter oberhalb des Flusses die Umrisse einer gewaltigen Festung mit ockerfarbenen Erdwällen auf.
    Hischam ließ seine Feluke auf das Ufer auflaufen, das von großen Bäumen gesäumt wurde. Er sprang von Bord und zog den Steven auf den Sand. Nathan nahm seine Reisetasche und ging ebenfalls an Land.
    »Hier bin ich zu Hause«, sagte Hischam. »Du wirst hier bleiben, bis deine Papiere in Ordnung sind. Du wirst dich waschen, essen und schlafen können.«
    »Wann werde ich mein Visum haben?«
    »Heute Abend. Ich habe unser Kommen angekündigt, ein Offizier der Einwanderungsbehörde ist aus Wadi zum Fest hergekommen, er wird sich um deinen Pass kümmern.«
    »Zum Fest?«
    »Wir feiern eine große Hochzeit. Folge mir!«
     
    Während sie zur Umfriedungsmauer hinaufstiegen, hörten sie, wie das rhythmische Geräusch der Musik immer lauter wurde. Das Dorf war in ausgelassener Stimmung. Männer hatten sich vor dem großen Tor versammelt, und Nathan konnte das dumpfe Schlagen der Trommeln, die Pfiffe der

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