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Im Blutkreis - Roman

Im Blutkreis - Roman

Titel: Im Blutkreis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Limes
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wurde fiebrig … Sein Traum … Die Bilder seines Traums kehrten jetzt deutlicher zurück, vermischt mit Empfindungen, Angstanfällen … Er schloss die Lider …
     
    Ein flammend roter Berg gleitet unter den Mond … Er reckt sich steil dem bestirnten Gewölbe entgegen, auf seiner Spitze erhebt sich eine Felsspitze, die oben mit Gold überzogen ist… Pyramiden … kleine … ockerfarbene … kantige … Eine Stimme aus der Finsternis ruft ihn bei seinem Namen … Nathan … Nathan … Der Wind wird heftiger, wirbelt den Staub auf … Ein unterirdischer Gang, helle, keimfreie Wände, Schreie, die sich in der Nacht verlieren. Nathan … Nathan … Ein stechender Schmerz presst seinen Schädel, seine Lungen zusammen, er erstickt …
     
    »Nathan! Nathan!«
    Die Stimme rief ihn, Hände schüttelten seine Schultern, Hischam … es war Hischam, er war zurückgekommen. Nathan öffnete die Augen. Die Alten blickten ihn verblüfft an.

    »Nathan, was ist los? Fühlst du dich gut?«
    »Ja … ich weiß jetzt, ich weiß jetzt, was ich suche…«
    Trotz seiner lauten Stimme sprach er eher zu sich selbst.
    »Was? Was suchst du?«
    Nathan richtete sich auf, steckte seinen Finger in den Staub und zeichnete ein paar Linien, wobei er versuchte, die Umrisse des Bergs und die kleinen Pyramiden, die ihm erschienen waren, genau wiederzugeben …
    »Kennst du diesen Ort?«
    »Das erinnert an …«
    »DSCHEBEL BARKAL! DSCHEBEL BARKAL!«, unterbrach ihn einer der Greise und pustete die Linien fort, die Nathan gezeichnet hatte. Dann setzte er zu einer strengen Schimpftirade in nubischem Dialekt an und gestikulierte vor ihm mit seinen langen Händen, die wie vertrocknete Wurzeln aussahen.
    »Wo ist das … Was sagt er?«, fragte Nathan.
    »Das ist die Nekropole von Napata, in der Nähe von Karima. Er sagt, dass man dort nicht hingehen darf, dass das ein unheilvoller Ort ist…«
    »Warum?«
    »Ich glaube, dass er darüber nicht sprechen will …«
    »Bitte ihn darum!«
    Hischam tat, wie ihm geheißen. Der alte Mann verzog sein Gesicht und nahm sein weißes Käppchen ab, aber dann stürzte er sich in eine neuerliche Erklärung, die noch heftiger als die erste ausfiel. Nathan konzentrierte sich auf das schwarze, grob geschnittene, von Falten und dünnen, geschwollenen Adern durchzogene Gesicht.
    Hischam übersetzte simultan: »Ein Fluch liegt auf ihm. Wegen der Geister der schwarzen Pharaonen und des Gottes Amun, die noch immer im Bauch des Bergs spuken.«
    »Die schwarzen Pharaonen?«
    »Er sagt, es ist Schluss, er wird nichts mehr sagen.«
    »HISCHAM, VERDAMMT!« Nathan wurde sich bewusst, dass
er laut geworden war und die anderen auf sich aufmerksam gemacht hatte. Er neigte den Kopf als Zeichen des Respekts, und fuhr dann leise fort: »Ich MUSS es wissen.«
    »Du darfst nicht so sprechen, dieser Mann ist ein großer Weiser, ohne seine Zustimmung darfst du nicht bleiben…«
    Aber noch bevor er seinen Satz beendet hatte, hatte die gutturale und abgehackte Stimme des Alten ihren Monolog wiederaufgenommen, ruhiger diesmal.
    »Diese Pyramiden«, übersetzte Hischam, »sind die Gräber der kuschitischen Könige, der schwarzen Pharaonen. Sie werden so genannt, weil sie Afrikaner und ihre Gesichter ›verbrannt‹ waren. Auf Griechisch bedeutet ›Äthiopier‹ ›der mit dem verbrannten Gesicht‹. Die Ruinen ihres Reichs erstrecken sich längs des Nils zwischen El-Kurru und Meroë. Dort finden sich die Spuren einer erstaunlichen Welt, die sich gleichzeitig mit derjenigen der Pharaonen in Ägypten entwickelt hat. Zwei Reiche, die sich ähnelten und unterschieden. Wie die Herrscher des Nordens beteten sie zu dem Gott Amun, aber auch zu ihrem eigenen schrecklichen Löwengott Apedemek.
    Den Königen Ägyptens waren diese Männer ein Dorn im Auge, sie fürchteten, dass diese noch junge Kultur irgendwann zu einer Bedrohung werden könnte. Daher setzte der Pharao Thutmosis vor sehr, sehr langer Zeit, lange vor der Geburt Christi, eine beispiellose Welle der Repressionen gegen sie in Gang. Er sagt, dass von diesem Zeitpunkt an der Dschebel Barkal, der ›reine Berg‹, zu einem heiligen Ort geworden ist.«
    Nathan blickte dem alten Mann tief in die Augen und forderte ihn damit auf fortzufahren.
    Der Weise sprach weiter, sofort übersetzt von Hischam: »Die Ägypter haben dort eine Kolonie errichtet. Sie haben prächtige Monumente gebaut, eine Stadt, durch die die wertvollsten Waren aus Schwarzafrika gingen: Gold, Juwelen, die

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