Im Blutkreis - Roman
Nathan sich an die schmutzige Fensterscheibe des Busses und sank in einen traumlosen Schlaf.
Als die Sonne weiß und riesig erneut die Erde glutrot färbte, hatten sie den Norden von Luxor erreicht.
Nathan fuhr sich mit den Händen über sein verschlafenes Gesicht.
Die Gerüche waren stärker geworden, und es herrschte drückende Hitze. Fellachen, arme Bauern, gingen, in ihren Wollmantel gehüllt, die Hacke in der Hand, durch den Staub zu den grünen Zungen, die sich am Nil entlangzogen. Die Gesichter hatten sich verändert, und Nathan erkannte in diesen verbrannten Gesichtern die Vorboten eines außergewöhnlichen, alten Afrika, das sich sehr von dem unterschied, das er im Kongo kennen gelernt hatte.
Kurz vor sechzehn Uhr erreichten sie Assuan. Nathan holte seine Reisetasche aus dem Kofferraum des Busses und nahm ein Taxi, das ihn im Hafengebiet absetzte, siebzehn Kilometer weiter südlich, hinter dem großen Saad-al-Ali-Staudamm. Er bezahlte die Fahrt und tauchte in die heiße, trockene Luft ein, die ihn fast erstickte. Die Reisetasche über der Schulter, ging er
auf das Hauptgebäude zu, einen riesigen Hangar, in dem sich die Schalter der Schifffahrtsgesellschaften befanden.
Oben mit Stacheldraht versehene Gitter markierten die Freizone. Auf der anderen Seite waren Kähne zu erkennen, verrostete Frachter, die reglos auf dem glühend heißen Wasser des Nassersees schaukelten. Es herrschte eine rege Betriebsamkeit: Tee- und Brotverkäufer, Lkw-Fahrer. An den Kais waren Dutzende von Hafenarbeitern damit beschäftigt, Waren aller Art zu laden oder zu entladen, und überall kontrollierten Soldaten in sandfarbenen Kampfanzügen das Kommen und Gehen der Menschen.
Nathan fand sofort den Schalter der Nile Valley Navigation, die der Taxifahrer ihm genannt hatte. Eine Anzeigetafel wies darauf hin, dass ein Schiff seinen Zielort anlaufen würde, ohne allerdings Zeit und Tag anzugeben. Aus dem Stimmengewirr drang ein Ruf an sein Ohr.
»YOU GO ABU-SIMBEL? RAMSES TEMPLE?«
Er drehte sich um und erblickte einen schmalen, hoch gewachsenen Riesen mit kupferfarbener Haut, der eine Dschellaba trug, die rot von Staub war. Er kam auf ihn zu, einen dicken Abreißblock in der Hand.
Nathan antwortete auf Englisch: » No , Wadi Halfa.«
»Okay, Wadi morgen vierzehn Uhr. Pass, Impfbescheinigung.«
Nathan reichte ihm die Dokumente. Der Mann blätterte sie mechanisch durch und notierte sich die Informationen, die er für die Ausstellung der Fahrkarte benötigte. Seine Reaktion kam prompt.
»Wo ist das Visum?«
»Ich wollte es mir vor Ort besorgen.«
»Unmöglich, es führt kein Weg an der sudanesischen Botschaft vorbei. Kein Visum, keine Fahrkarte!«
»Gibt es hier in Assuan ein Konsulat?«
»Seit zwei Jahren geschlossen, man muss nach Kairo.«
»Nach Kairo! Da komm ich gerade her!«
»Das ist dein Problem!«
Der Riese zerriss die Fahrkarte, gab ihm seine Papiere zurück und hielt nach anderen Kunden Ausschau.
Der Ärger begann.
Nathan musste einen Weg finden, die Grenze zu passieren, und das so schnell wie möglich. Es schickte sich schon an, andere Verkäufer zu suchen, als er das zerknitterte Stück Papier bemerkte, das aus seinem Pass ragte.
Unauffällig zog er es aus dem granatfarbenen Pass und betrachtete es genauer. Der Riese hatte ihm eine kurze Nachricht geschrieben:
Zu viele Soldaten.
Sei in einer Stunde vor dem Bahnhof.
Es gibt für jedes Problem eine Lösung. Inschallah.
Um siebzehn Uhr dreißig war Nathan am Bahnhof. Der Riese erwartete ihn schon. Er nahm ihn am Arm und zog ihn in einen großen Landrover.
»Entschuldige das Theater, ich konnte nicht anders handeln. Die Armee überwacht uns, sie haben es auf die Islamisten abgesehen.«
»Mach dir keine Sorgen.«
»Ich heiße Hischam. Du bist Nathan?«
»Ja.«
»Du bist kein Tourist!«
»Nein.«
»Bist du Soldat?«
»Auch nicht. Hast du mir etwas vorzuschlagen?«
»Ja, in der Tat, es gibt mehrere Möglichkeiten. Entweder bring ich dich mit dem Wagen durch die Wüste, das geht schnell, ist aber riskant. Ansonsten können wir über den See fahren, das dauert vierundzwanzig Stunden, ist aber viel sicherer.«
»Und wenn ich drüben bin, werde ich dann keine Probleme haben, mich ohne Visum zu bewegen?«
»Du wirst eins bekommen. Ich bin Sudaner, ich werde mich um die Formalitäten kümmern.«
»Wie viel?«
»Vierhundert Dollar.«
»Und wie läuft das Geschäft ab?«
»Die Hälfte gleich, die andere, wenn wir ankommen.«
»Kommt nicht
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