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Im Blutkreis - Roman

Im Blutkreis - Roman

Titel: Im Blutkreis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Limes
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Rauchsäulen, die von den kleinen Feuerstellen mit rötlich glimmender Glut aufstiegen, drängten sich die wackligen Elendsbehausungen, Hütten aus Ästen und Stücken türkisfarbener Nylonplane, auf denen noch die Initialen der Nicht-Regierungsorganisationen zu erkennen waren, die diesen Ort allerdings bereits seit langem verlassen hatten.
    Im Unterschied zu den Dörfern der Umgebung, in denen reges Leben herrschte, wirkte dieser Ort vollkommen verlassen. Nur streunende Hunde mit blutenden Wunden und ein paar gekrümmte
Gestalten hoben sich von dieser trostlosen Landschaft ab, in der selbst die Vögel zu singen aufgehört hatten.
    Nathan und Juma sanken bis zu den Knöcheln in dem widerlichen Schlamm ein, während sie auf die Behausungen zugingen.
    »Wir müssen den Chef finden«, flüsterte Juma, als hätte er Angst, irgendeinen in den Tiefen der Erde verborgenen Geist zu wecken.
    Ein kleines graues Wesen in Lumpen kam ihnen entgegengelaufen. Es war ein Kind. Sein kurzes Haar war von der Mykose ganz weiß geworden, und um seine Augen, die wie kleine, feuchte Perlen glänzten, wimmelten Trauben schwarzer Fliegen. Ein paar Meter vor ihnen blieb es stehen und begann, Worte in einem eigenartigen Dialekt auszustoßen, den Nathan zum ersten Mal hörte, seit er den Kontinent betreten hatte.
    »Was sagt er?«
    »Er beschimpft uns, er sagt, wir sollen weggehen.«
    »Ist er ein Hutu?«
    »Wahrscheinlich, er spricht Kinyarwanda, das ist unsere Sprache …«
    »Bist du aus Ruanda?«
    »Meine Mutter …«
    »Du bist…«
    »Weder Hutu noch Tutsi. Ich will nichts hören von diesen blöden Klassifizierungen, sie sind die Wurzel von so viel Grauen … Nein, Nathan, ich bin einfach nur aus Ruanda …«
    Juma wurde von dem Jungen unterbrochen, der begonnen hatte, sie anzuspucken. Der junge Führer hob einen Stock auf und ließ ihn über den Kopf des Jungen pfeifen. Nathan hielt seinen Arm fest.
    »Komm, lass ihn in Ruhe!«
     
    Ein gespenstisch aussehender Mann, der sich nur dank der langen Holzkrücken, die er in seine Achselhöhlen geklemmt hatte,
aufrecht zu halten schien, führte sie zu einer Wellblechhütte. Juma klopfte an die wackligen Wände, bis der Chef sein Greisengesicht durch die Türöffnung steckte. Während der Führer in hartem, abgehacktem Ton den Grund ihres Besuchs erklärte, warf Nathan einen Blick ins Innere der Hütte. Es war eine nach Exkrementen stinkende Kloake, in der eine einfache Hängematte aus braunen Fasern hing, das Verblüffendste aber war, dass der Mann auf diesem engen Raum nicht allein lebte, sondern mit einer Kuh.
    Plötzliches Stimmengewirr ließ ihn den Kopf drehen. Die Bewohner des Camps, einer schmächtiger und grauer als der andere, hatten sich um sie versammelt. Der Chef gestikulierte in alle Richtungen und stieß kurze, leise Schreie aus, die sich wie Klagen anhörten und in die nach und nach auch die Versammlung einfiel.
    »Was ist los?«, fragte Nathan.
    Juma rieb sich das Gesicht mit den Händen, und leichte Besorgnis trübte seinen Blick.
    »Er sagt, dass man nicht unter die Erde gehen kann.«
    »Wo ist dieser Jean-Baptiste?«
    »Ich habe gebeten, dass man ihn ruft, aber wie auch immer, ohne den Chef geht gar nichts.«
    »Hast du ihm erklärt, dass derjenige, der bereit ist, uns zu helfen, Geld bekommt?«
    »Ja, aber …«
    »Wie viel hast du angeboten?«
    »Zehn Dollar.«
    »Biete vierzig an.«
    »Das ist zu viel.«
    »Tu, was ich dir sage.«
    Juma wandte sich dem alten Mann zu und teilte ihm das neue Angebot mit. Ohne ein Wort von dem, was gesagt wurde, zu verstehen, begriff Nathan aus den verneinenden Gesten des Chefs, dass er ein neues Problem hatte.

    »Es ist keine Frage des Geldes«, sagte Juma, der immer beunruhigter wirkte. »Sie sagen, dass man, wenn man in den Tunnel hinuntersteigt, die Geister wecken wird und dass sie zurückkommen und die Menschen holen werden. Die Leute sind gereizt, Nathan, das ist nicht gut.«
    »Verdammt! Sag ihm, dass es keine Geister mehr gibt, dass sie schon vor langer Zeit weggegangen sind und dass sie nicht zurückkommen werden… Denk dir irgendwas aus …«
    Ein junger, hoch aufgeschossener Mann in einem Lendenschurz näherte sich mit großen Schritten, wobei er die Luft mit seiner Machete peitschte, um sich einen Weg zu bahnen. Als er die Gruppe erreicht hatte, wandte er sich auf Französisch an Nathan: »Ich bin Jean-Baptiste! Ich werde dir den Eingang des Tunnels zeigen. Gib das Geld.«
    »Wenn du mich hingebracht hast. Wo ist

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