Im Blutkreis - Roman
verschwunden, und die durchdringenden Schreie wichen der Stille.
Er hatte soeben eine neue Grenze überschritten. Eine nächtliche Welt, fern vom Kongo und vom Völkermord, die ihn mit ihren schwarzen Flügeln umfing.
Selbst unter der Erde hörte der Regen nicht auf. Das Licht seiner Taschenlampe flackerte wie eine Flamme unter dem von der Decke tröpfelnden Wasser und Wasserdampf. Er ging weiter, ohne dass seine Kräfte nachließen, bisweilen gezwungen, in die Knie zu gehen oder einen großen Schritt über Spalten hinweg zu machen. Kadaver von Affen und dicken Nagetieren, die auf geheimnisvolle Weise hier gestorben waren, strömten ihren durchdringenden Verwesungsgeruch aus.
Während er seinen Weg fortsetzte, wurde die stickige Luft von einer Art beunruhigendem Brummen erfüllt, das aus den Tiefen der Erde zu kommen schien. Er spitzte die Ohren. In das Summen mischte sich fernes Murmeln und Flüstern, das wie leises, sadistisches Lachen zu ihm drang.
Ein Gefühl des Unbehagens ließ ihn erstarren.
Auch er begann zu phantasieren, in diesen absurden Geschichten von Aberglauben zu versinken …
Er zwang sich weiterzugehen und richtete seine Taschenlampe auf den Boden. Das Knistern wurde lauter.
Und da sah er kupferfarbene Spinnen, weißliche Larven, riesige Schaben mit feuchten Deckflügeln überall um ihn herum wimmeln; sie krochen über die Wände und purzelten in Trauben von der Decke auf seine Schultern. Die Erde war hier kein stilles Heiligtum, sondern eine Masse vibrierender, fürchterlicher Fäulnis, in der Leben und Tod sich umklammerten, bis sie ein einziges formloses und monströses Wesen bildeten, das ständig neu geboren wurde.
Er wischte sich mit dem Ärmel den Vorhang aus Schweiß fort, der seinen Blick trübte, und setzte seinen Abstieg fort.
Durch diesen Stollen also hatten dieses Schwein von Kahékwa und seine Schergen ihre Kolonnen verängstigter Flüchtlinge geführt, hier hatten sie Schreie gehört… Wenn sie in diesem engen Tunnel nichts gesehen hatten, dann bedeutete das, dass irgendwo ein Durchgang existieren musste, der zu einem anderen Netz von Stollen führte.
Nachdem er drei- oder vierhundert Meter zurückgelegt und die Wände genau untersucht hatte, fiel der Lichtkegel seiner Taschenlampe plötzlich auf eine Öffnung zwischen dem Gestein. Er bückte sich, schob seine Hände in den Zwischenraum und zog mit aller Kraft. Die wurmstichigen Bretter gaben krachend nach. Er zog die Platte weg und riskierte einen Blick.
Ein neuer Stollen.
Der Zugang war teilweise verschüttet und von großen Pfützen überschwemmt. Der Weg schien noch tiefer in die Finsternis hineinzuführen. Er ärgerte sich, dass er keinen Helm und keine Stirnlampe mitgenommen hatte und nichts, womit er einen Ariadnefaden hätte improvisieren können. Er konnte sich jeden Augenblick verlaufen oder durch einen Einsturz verschüttet werden, und es würde bestimmt niemand kommen und ihn hier herausholen.
Die Öffnung war höchstens fünfzig Zentimeter breit. Er legte sich flach auf den Bauch, umklammerte einen Felsblock und zog sich mit einem Arm nach vorn, bis er die Schultern hindurchstecken konnte. Der Rest folgte. Anschließend kroch er wie ein Aal etwa dreißig Meter durch den Schlamm und dann bis zur Taille in einen schwarzen Sumpf, der in einen größeren und höheren Raum mündete.
Die Halogentaschenlampe blinkte, ging aus, dann wieder an und entriss der Dunkelheit metallischen Glanz.
Nathan näherte sich langsam mit angespanntem Körper und umklammerte die Taschenlampe, deren Licht immer schwächer wurde.
Gepolsterte Untersuchungstische, Stahlketten, Spanngurte
aus Leder, um Arme und Beine festzuschnallen … Er stolperte über einen Haufen zerknitterter, schwärzlicher Tücher… Die Wände waren mit gelben Plastikbahnen verkleidet, die an jeder Ecke von aufblasbaren Bügeln zusammengehalten wurden. Er ließ den Lichtkegel seiner Taschenlampe über den Boden wandern: Zwischen Fetzen schäbiger Kleider lagen braune Krusten, klebrige Pfützen, in denen Skalpelle, Scheren und andere Folterinstrumente zusammenklebten, die trotz der Korrosion noch immer funkelten.
Ein Labor…
Nathan zitterte, aber er hatte keine Angst mehr, als hätte sein Geist sich von seinem Körper gelöst, um das Grauen, das sich ihm offenbarte, ertragen zu können. Er holte seine Digitalkamera aus dem Rucksack und begann, die Folterkammer Parzelle für Parzelle zu fotografieren.
In einer Vertiefung entdeckte er eine Art Schleuse,
Weitere Kostenlose Bücher