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Im Bureau: Erzählungen (insel taschenbuch) (German Edition)

Im Bureau: Erzählungen (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Im Bureau: Erzählungen (insel taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Walser
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Der Kamerad sitzt da; sieht uns erstaunt an und geht fort. Haben wir ihm wehe getan? Ich frage mich das. Sie aber stürzt wie eine geknickte Blume zu meinen Füßen, küßt mir die Hände, will nur mich, mich allein von allen Menschen der Erde lieb haben – – – Dies habe ich von einem Commis.

Erklärung
    Vorliegende Blätter sind mehr Laune, Windspiele und Empfindung, als gewissenhafte Zeichnung. Einen gewissen Ernst wird indessen auch der Ernsthafteste darin vorfinden. Ich will nun zum Schluß noch versuchen, trocken darzulegen, wie mir die Welt, in die ich mich so unbesonnen hineingetanzt habe, vorkommt. Commis sind im allgemeinen ebenso naive wie tüchtige Leute. Laster findet man unter ihnen sehr selten. Etwas Spaßhaftes muß ihnen anhaften, sonst hätte ich, der ich sie so ziemlich gut zu kennen glaube, gewiß keinen Anlaß gehabt, im Eingang dieser Blätter über sie zu lachen. Aber es sollte mich wundern, wenn jemand diesem Lachen Bosheit entnehmen könnte. Commis sind sehr achtenswerte Leute, und daß man ihnen in öffentlichen Dingen weniger Bedeutung schenkt, als dem Studenten oder dem Künstler, hat mit dem Gefühl lediglicher Achtung nichts oder wenig zu tun. Sie tun ihre Arbeit in Ruhe, Zurückgezogenheit und Bescheidenheit, ein Vorzug, der namentlich ihnen und auch andern sehr wohltut. Sie haben Gefühl für Freundschaft, Familie und Vaterland. Die Natur lieben sie. Sie ist ihnen ein überaus wohltuender, angenehmer Gegensatz zu der Enge und Geschlossenheit ihres Arbeitsfeldes. In Dingen schöner Kunst sind sie durchweg bemüht, sich ein natürliches, einfaches Urteil zu bilden. Die Dichter und bildenden Künstler ihres Landes sind ihnen nicht gleichgültig. Es gibt Stände, die viel mehr Hochachtung und öffentliche Vorteile als sie genießen, die aber in Dingen des natürlichen Geschmacks viel weiter zurück sind, als sie, die weniger Bevorzugten. Sie stammen meistens aus den guten Familien des Landes. In politischen Angelegenheiten wissen sie mitzureden; sie tun es herzlich, aber vernünftig. Das Studium der Landesgesetze erscheint ihnen als eine unumgängliche Pflicht, und ihr Gedächtnis und ihren Verstand strengen sie weit mehr an, sich solches einzuprägen, als die Angehörigen einer bevorzugten Klasse. Sie sind gutmütig und höflich und zugleich freisinnig. Gegen Niedere sind sie sehr freundlich, gegen Höhergestellte wissen sie ihren Wert und Standpunkt zu verteidigen. Sie haben etwas wie Eitelkeit an sich, die sich leicht erkennbar gibt; nun, das gerade schätze ich an ihnen. Eitel ist jeder Mensch von nur einiger Intelligenz, und der ist am eitelsten, der zu verstehen geben will, er sei es nicht. Lastern gegenüber verhalten sie sich als peinlich genaue, saubere und gewissenhafte Menschen meist kalt ablehnend. Daß sie auch ihre Fehler haben, werden sie selbst gewiß nicht leugnen wollen. Wer hätte sie nicht! Aber es liegt mir daran, zumeist das sie Empfehlende hervorzuziehen. Spricht man doch viel häufiger übel als wohlwollend von den Menschen. Nun, ich verstehe das nicht. Mir wenigstens macht es ein viel größeres Vergnügen, Welt und Menschen zu schätzen und zu verehren, als zu mißachten und zu bespotten. Mit diesen Worten, so hoffe ich, habe ich die vorige, etwas übermütige Art, vom Commis zu sprechen, wiedergutgemacht. Ich wünsche es von ganzem Herzen.
    (1902)

Ein Vormittag
    E s gibt Vormittage in Schusterwerkstätten, Vormittage in Straßen und Vormittage auf den Bergen, und letztere mögen so ziemlich sicher das Schönste auf der Welt sein, aber ein Bankhausvormittag gibt entschieden noch mehr zu denken. Nehmen wir einmal an, es sei Montagvormittag, das ist nämlich von allen Vormittagen der Woche der vormittäglichste, und der Montagvormittagsduft kommt in Buchhaltereien großer Bankinstitute vortrefflich zur Verteilung.
    Da sind in so einem Saal an die zehn bis fünfzehn Pultreihen mit Gängen zum Revuepassieren, an jedem Doppelpult arbeitet ein Paar Menschen. Man pflegt von Schuhpaaren zu reden, warum sollte es nicht auch gelegentlich einmal in der Ordnung sein, wenn man von Menschenpaaren spricht? Zuoberst im Saal steht das Pult des Vorstehers. Der Abteilungschef ist ein sackdicker Mann mit ungeheuerlichem Gesicht auf dem Rücken. Das Gesicht stemmt sich unmittelbar, ohne des Halsansatzes zu bedürfen, an den Rücken, und es ist brandrot und scheint immer zu schwimmen. Es ist zehn Minuten nach acht, Chef Hasler überfliegt mit ein paar gutgezielten Blicken den

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