Im Bureau: Erzählungen (insel taschenbuch) (German Edition)
Langeweile Gedichte zu schreiben, und er hat deren einige schöne gemacht. Er war eine feine, empfindliche Seele. Ob er jetzt Stellung hat? Nein, er hat sich neuerdings aus der neuen Stellung gestrichen, so blöde und unklug ist er. Es muß eine Art Krankheit bei ihm sein, daß er es nirgends aushalten kann, und einige, die Einsicht in derlei Sachen haben, sagen ihm ein schlimmes Ende voraus. Kein Zweifel,er wird zugrunde gehen. Man sieht daraus, unter den viel belächelten, unbedeutenden Commis gibt es auch sehr tragische Schicksale. So wunderbar ist die Natur! Nicht einmal ein Commis ist ihr zu gewissen Zwecken zu wenig. Wenn dir das Weinen kein Ekel ist, Leser, oder du, sanfte Leserin, wenn du einmal über einen Kummer weinst, so vergiß nicht, eine Träne aus deinen süßen Augen dem Commis aufzubehalten, der die heillose Krankheit hat, die ich dir oben beschrieben habe.
Ein Brief zum Besten
Liebe Mutter! Du fragst mich, wie es mir in meiner Stellung behagt? O ganz gut soweit. Die Arbeit ist eine leichte, die Leute sind höflich, der Chef ist streng, aber nicht ungerecht, was kann man mehr verlangen! Ich habe mich sehr rasch in mein Feld hineingearbeitet; der Buchhalter sagte mir es neulich, ich mußte lachen. Saure und böse Stunden gibt es auch, aber die muß man nicht allzu schwer nehmen. Wofür besitzt man Vergeßlichkeit! Ich erinnere mich mit Vorliebe guter und schöner Stunden, lieber und wohlwollender Gesichter, so freue ich mich immer doppelt und zehnfach. Freude scheint mir das Wichtigste und Köstlichste und am meisten wert, dem Gedächtnis aufzubewahren. Was hindert mich denn, das Traurige so schnell als möglich zu vergessen? Ich habe gern recht viel Arbeit um mich herum. Sobald ich träge sein muß, werde ich mißmutig und traurig. Dann denke ich, und das Denken ohne Sinn und Zweck stimmt traurig. Schade, daß ich nicht mehr zu tun habe, ich wäre so gern ganz von der Arbeit in Anspruch genommen. Ich muß überhaupt beständig in Anspruch genommen sein, sonst fängt es an, inmir zu rebellieren. Du verstehst mich, nicht wahr? Ich habe gestern zum erstenmal mein neues schwarzes Kleid getragen. Es stehe mir vortrefflich, sagen alle Leute. Ich war auch stolz darin und habe mich beinahe nicht mehr wie ein Commis betragen. Aber das läuft auf eins hinaus. Commis bin ich nun doch vorderhand, und werde es wohl noch lange bleiben. Was schwatze ich da! Will ich denn etwas anderes sein? Ich begehre nicht hoch hinaus in der Welt, ich habe nicht die nötige Figur zu etwas Hohem. Ich bin so schüchtern, liebe Mutter, so rasch mutlos, nur die Arbeit läßt mich alles vergessen. Manchmal habe ich so Sehnsucht, wie soll ich es nur nennen? Dann ist mir nichts recht, dann mache ich nichts recht. Aber, liebe beste Mutter, das ist auch nur, wenn ich müßig sein muß. Man beschäftigt mich zu wenig. O ich fühle es so gut, daß im Müßiggang die Sünden lauern. Bist du gesund, liebe Mutter? Ja, du mußt gesund sein, du mußt gesund bleiben. Du sollst sehen, wieviel Freude ich dir noch mache. Wenn ich dir nur tausend und tausendmal Freude machen kann! Wie schön doch Gott die Welt gemacht hat. Sieh, wenn ich mir Freude mache, mache ich sie zugleich dir. Arbeit ist meine einzige rechte Freude, mit Arbeiten komme ich tüchtig vorwärts, und mein Vorwärtskommen macht wieder dir Freude. Leb wohl. Wenn ich etwas anderes als diese Worte wüßte, um dich von meinem ehrlichen Bestreben zu überzeugen, ich würde nicht verfehlen, es anzuwenden. Aber ich weiß, du hältst das Beste von mir. Du gute Mutter. Adieu, Adieu!
Dein gehorsamer Sohn.
Lebendes Bild
Eine Bühne! Ein kahles, peinlich sauberes Bureau. Pulte, Tische, Stühle, Sessel. Im Hintergrund ein großes Fenster, durch welches ein Stück Landschaft mehr hineinfällt, als hineinsieht. Rechts im Hintergrund die Tür. Links und rechts einfache Wände, an denen die Pulte stehen. Mehrere Commis sind beschäftigt, wie man sich im wirklichen Leben beschäftigt sieht: Bücher auf- und zuschlagen, Federn anprobieren, husten, zischeln, lächeln, leise fluchen, in sich hinein wüten. Ein junger blasser Commis von auffallender Schönheit und von auffallend anmutigen, stillen Gebärden handelt stumm im Vordergrund. Er ist schlank, hat schwarzes Lockenhaar, das um seine Stirne wie lebendig spielt, und feine schmale Hände: ein Commis für einen Roman. Er selber aber scheint keine Ahnung von seiner Schönheit zu haben. Bescheiden und schüchtern sind seine Bewegungen, leise und
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