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Im Bus ganz hinten

Im Bus ganz hinten

Titel: Im Bus ganz hinten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fler
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    laufen. Die Mädchen schrien und liefen kreischend weg. Ich wusste gar nicht so genau, was da gerade passiert war. Ich war nur total baff und
    kniete mittlerweile in einer riesengroßen roten Pfütze. Es hörte noch immer nicht auf zu bluten. Und es tat wirklich sauweh. Geweint und
    gejammert habe ich trotzdem nicht. Das hätte diesen beschissenen Jochen Lempke doch nur glücklich gemacht. »Du kannst mich mal, du
    Wichser«, schnauzte ich ihn an und wischte mir mit der Hand über mein blutiges Gesicht. »Halt dein Maul«, rief er und zischte ab. Mit einer
    ganzen Packung weißer Taschentücher versuchte ich dann zunächst allein, meine Blutung zu stoppen. A ls das nicht so richtig klappen wollte,
    lief ich zum Lehrerzimmer. Dabei hinterließ ich eine lange rote Spur. »Viel Spaß beim Putzen«, dachte ich nur. Ein Lehrer gab mir schließlich
    einen Kühlakku, und damit bekam ich meine Nase endlich in den Griff.
    Zu Hause angekommen, riss ich den verdammten Ohrring natürlich sofort raus und warf das blöde Teil im hohen Bogen in die Mülltonne. Mit
    meiner Mutter sprach ich drei Tage lang kein Wort.
    Reich vs. arm

    In der Mercator-Grundschule gab es immer mehr Probleme. Die Kids terrorisierten sich gegenseitig. Schlägereien auf dem Schulhof waren an
    der Tagesordnung. Manchmal war ich mittendrin – aber meistens spielte ich lieber Basketball oder saß allein in der Ecke und hörte Hip-Hop.
    Lernen? Interessierte mich null. Frau Katschmarek war zu allem Übel inzwischen meine Klassenlehrerin geworden und machte mir das Leben
    mehr denn je zur Hölle. Sie war meine Todfeindin: Bombardierte mich mit Strafaufgaben, schrie mich pausenlos an, zog mich ab und zu am
    Ohr und drohte mir fast täglich damit, mich von der Schule zu werfen. Der ständige Psychokrieg belastete mich total. Wenn ich mich auf den
    Weg in Richtung Klassenzimmer machte, wusste ich, dass es garantiert wieder Streit geben würde, und entsprechend wenig Bock hatte ich
    noch auf den Unterricht. »Mama, du musst mir helfen«, sagte ich eines Nachmittags zu meiner Mutter. Und überraschenderweise reagierte sie
    zum ersten Mal verständnisvoll: »Diese Lehrerin ist nicht tragbar. Die macht dich ja total fertig. Ich hol dich da raus!« Damit hatte ich, ehrlich
    gesagt, nicht gerechnet. Meine Mutter fuhr gleich am nächsten Morgen zur Schule und meldete mich ab. So cool hatte ich sie noch nie zuvor
    erlebt, und ich fragte mich, ob ich manchmal vielleicht zu streng mit ihr war. Ich konnte mein Glück kaum fassen!
    Und so wechselte ich in der vierten Klasse auf die Zinnowwaldschule in Zehlendorf. Das bedeutete: Raus aus dem Getto, hin zu den reichen
    Kids! Schon im Bus dahin merkte ich, dass ich komplett anders war als der Rest. Die Kinder, die auf diese Schule gingen, waren arrogant und
    kamen sich supergeil vor. A ußerdem trugen sie ausnahmslos alle Markenklamotten, die sie von ihren reichen Eltern natürlich ständig gekauft
    bekamen. Fasziniert blickte ich während der Fahrt aus dem Fenster. Wir fuhren an den krassesten Villen vorbei, vor denen die teuersten A utos
    parkten: Mercedes, BMW und andere Luxusteile. A n jeder Haltestelle stiegen noch mehr von diesen verwöhnten Gören ein. Ich kam mir vor
    wie im Zoo – und starrte die anderen an, als wären sie kleine Ä ffchen. Ich dachte mir: Das kann ja heiter werden. Doch tief in mir drin war
    auch ein kleines Fünkchen Hoffnung: Das Ganze war ein willkommener Neustart für mich. Für die Leute an der Zinnowwaldschule war Patrick
    Losensky ein völlig unbeschriebenes Blatt. Keiner wusste, dass ich zu Hause als schwer erziehbar galt und schon in der ersten Klasse zur
    Therapie geschickt worden war.
    A ls ich das Klassenzimmer betrat, wurde ich von dem Lehrer, Herrn Köhler, gleich als »der Neue« vorgestellt. Ein Typ fiel mir sofort auf: Er
    war schlank, hatte große braune A ugen und pechschwarze Locken. Er war so ziemlich der Einzige, der nicht wie ein absoluter Streber aussah.
    Er begrüßte mich cool mit einem Nicken. Der Platz neben ihm war noch frei. A lso ging ich auf ihn zu, streckte ihm die Hand hin und setzte
    mich einfach neben ihn. »Hey, was geht? Ich bin Yazid«, sagte er. Die anderen Kinder in der Klasse guckten skeptisch. Ich war ihnen genauso
    suspekt wie sie mir, und es hätte mich nicht überrascht, wenn sie sich in ihren sauberen Kleidchen und niedlichen Hemdchen für etwas
    Besseres hielten. Ich merkte sofort: A ußer Yazid wollte hier keiner etwas mit mir zu tun haben.

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