Im Bus ganz hinten
hysterisch. »Huäääääääääääääääh«, kam es in einer ganz fiesen Frequenz aus ihrem Mund. Meine Ohren konnten den schrillen
Sound kaum ertragen. »Was ist los?«, wollte ich wissen und beugte mich zu ihr hinunter. A ls sie die Hände vom Gesicht wegnahm, sah ich,
was Tayfun angerichtet hatte. Ihre Haut sah teilweise richtig verkokelt aus. Die brennenden Pulverrückstände waren beim A bschuss
anscheinend direkt in ihrer Fresse gelandet. Jetzt hatte sie überall rote Brandspuren – und sah aus wie ein Monster. »Du musst ins
Krankenhaus«, sagte eine ihrer Freundinnen mit tonloser Stimme und versuchte die Tränen zu unterdrücken. Wir waren alle ziemlich
geschockt. Einer der Jungs rief schließlich einen Krankenwagen.
Ich schüttelte nur den Kopf. So ein Spinner! Ich beschloss, von nun an endgültig nicht mehr mit Tayfun abzuhängen. Beim nächsten Mal
würde er einen von uns womöglich sogar abknallen! Einfach so. Wütend schlug ich dem Idioten seine Gaspistole aus der Hand. »Penner«,
sagte ich.
Ich ließ die Gang stehen und lief allein nach Hause.
Voll kacke!
Egal, wie viel Zeit auch verging, meine Panikattacken ließen nicht nach. Im Gegenteil: Sie wurden schlimmer. Ich musste immer mehr
Medikamente einwerfen. Und die brachten mich einfach um den Verstand. Ich fühlte mich ständig benebelt – als ob ich high wäre.
Nachdenken war nur ganz schwer möglich. Ich war dauermüde und hatte kaum Kontrolle über mich selbst. Es gab nur eine Lösung: Ich
musste wieder zur Therapie. Meine Mutter machte einen Termin bei meiner früheren Spieltherapeutin Frau Dr. Barbara Uhlmann-Lubich. Die
gute Frau kannte ich ja bereits – nur ihre neue Praxis nicht. Sie war in den Berliner Stadtteil Wilmersdorf umgezogen. Mit meinem ziemlich
verwirrten Kopf schwang ich mich also in die U-Bahn, und es war ein Wunder, dass ich überhaupt den richtigen Zug erwischte. A llerdings: Ich
musste dringend aufs Klo. Während der Fahrt drückte es schon krass. Ich brauchte eine Toilette. Sofort! A n der richtigen Haltestelle
angekommen, rannte ich aus dem U-Bahnhof, um die Praxis zu finden. Ich guckte nach links, guckte nach rechts und wusste trotzdem nicht,
wo ich war. Ich musste zur Hildegardstraße, aber die kannte ich nicht. Ich rannte einfach los und suchte. A ls ich endlich das richtige
Straßenschild sah, bog ich ab und guckte nach den Hausnummern. Die Praxis war mindestens noch fünf Minuten weit weg. Ich konnte es fast
nicht mehr aushalten und überlegte schon, mich an einen Baum zu stellen. A ber leider musste ich nicht nur pinkeln! Der Schweiß stand mir
auf der Stirn, und ich hielt meine Hände verzweifelt vor die Hose. Sollte ich einfach loslassen? Nein, das ging auch nicht. Durchhalten, Patrick!
Noch ein paar Meter, und du bist da, redete ich mir selbst gut zu. Ich würde es schon schaffen. Das hoffte ich zumindest inständig. Endlich
sah ich die richtige Tür und klingelte. Dabei hüpfte ich von einem Fuß auf den anderen. Keiner reagierte. War ja klar. Wütend und vor allem
verzweifelt stampfte ich auf und klingelte noch einmal. Wieder nichts. »A ufmaaaacheeeen!«, schrie ich. Endlich summte das Türschloss, und
ich konnte rein. Das nächste Problem war, dass ich mich entscheiden musste, ob ich ins Vorderhaus oder ins Hinterhaus wollte. Ich nahm das
Vorderhaus. Einfach, weil es näher dran war. So schnell ich nur konnte, sprintete ich die Treppen hoch und scannte alle Türen und
Klingelschilder. A ber nirgendwo war die Praxis von Dr. Uhlmann-Lubich zu finden. Ganz oben im fünften Stock angekommen, war mir
schließlich klar: Ich bin falsch. Mist! Mittlerweile drückte es so krass auf meinen Darm, dass es richtig wehtat. Ich konnte einfach nicht mehr.
Trotzdem versuchte ich, durchzuhalten und die Treppen wieder runterzulaufen. In der Mitte sackte ich dann endgültig zusammen. Es war zu
spät. Es fühlte sich an, als ob ich platzen würde. Ich riss mir die Hose runter und kackte mitten ins Treppenhaus. Flutsch! A aaaaaahhhhhhhhh
… Es war die Erleichterung meines Lebens. Wegen der Medikamente war ich beim Verrichten meines Geschäfts derartig getorkelt, dass der
Großteil meiner Exkremente inmitten meiner hellblauen Dickies-Hose gelandet war. »Scheiße!«, fluchte ich passenderweise, als ich das
Missgeschick bemerkte, und lief dann die Treppen nach unten. Ich schleppte mich mit der bekackten Hose zurück zur U-Bahn, um wieder nach
Hause zu fahren. So konnte ich schließlich nicht
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