Im Bus ganz hinten
wir
wieder einmal am Fußballplatz des VFB Lichterfelde an der Osdorfer Straße abhingen, nahmen sie es sich schließlich mit Gewalt. Tayfun und
Emre waren besoffen. Übermütig. Ziemlich notgeil. Und Jacqueline war wie immer mit dabei. A nscheinend waren wir ihre einzigen
»Freunde«, was natürlich ein schwerer Fehler war. »Komm her, Baby«, schnaubten Tayfun und Emre aus heiterem Himmel und packten sie
am A rm. So selbstverständlich, als wäre sie längst ihr persönliches Eigentum. Dann zerrten sie das Mädchen in die Behindertentoilette am
Spielfeldrand, deren Tür immer offen stand. So wie die Tür von Jacqueline immer offen gestanden hatte – bis zu diesem Tag. Plötzlich war
nun alles anders: Sie hatte einfach keinen Bock mehr. »Fasst mich nicht an, ihr Schweine!«, kreischte sie auf einmal und begann tatsächlich, zu
weinen und zu schreien. Meine beiden Kumpels schienen die Widerworte nur noch weiter anzutörnen. »Zier dich ruhig, Baby, das macht uns
heiß«, lachten sie dreckig. Ich wurde nach draußen geschickt, um Wache zu halten, und stand bald allein auf dem Sportgelände und starrte
auf den Boden. Jacquelines Schreie waren mir unheimlich. Sie flehte, sie winselte. A ber Tayfun und Emre wollten sie um jeden Preis
flachlegen, sie waren anscheinend wie besessen von dem Gedanken, und bald hörte ich Schläge, die Jacqueline zum Schweigen brachten. Die
A ngst fuhr mir in die Knochen. Das Treiben, das sonst immer wie ein harmloser Zeitvertreib gewirkt hatte, wurde jetzt zum bitteren Ernst –
mir wurde allmählich klar, dass es sich hier um eine richtige Vergewaltigung handelte. Ich würde mich schuldig machen, wenn ich weiterhin
stumm an der Tür stehen blieb und nicht eingriff. Ich hatte keine Wahl und begann deshalb, wie in größter Panik an die Toilettentür zu
hämmern. »Da kommt jemand. Los, hört auf! Jemand hat uns bemerkt! Wir müssen weg hier, aber schnell!«, schrie ich mit sich
überschlagender Stimme. Coitus interruptus! Jetzt! Ich riss die Tür auf. Emre war total verschwitzt und hing noch immer an Jacqueline. Ihre
Klamotten waren zerfetzt. Überall war Blut. Ich spürte den plötzlichen Drang, mich zu übergeben, und kotzte in die Ecke. Endlich bekamen
auch die beiden A rschlöscher Panik. »Los, nichts wie weg!« Sie schubsten das Mädchen einfach von sich und liefen in die Dunkelheit. Ich
wagte noch einen letzten Blick in die Toilette. Jacqueline lag blutüberströmt wie ein verletztes Tier auf dem Boden und wimmerte. »Warum
hast du dich bloß auf diese Schweine eingelassen?«, flüsterte ich leise. Sie antwortete nicht und sah mich nicht an, und schließlich rannte ich
los.
Es war das letzte Mal, dass ich Jacqueline gesehen habe. Keine A hnung, was aus ihr geworden ist.
Bang, Boom, Bang!
Mit diesem Schwein Tayfun wollte ich anschließend eigentlich nichts mehr zu tun haben. Dumm nur, dass er wie ich ein begeisterter Sprüher
war. Noch dazu hatte er gute Kontakte zu anderen Sprayern. Ich konnte mich deshalb nicht richtig von ihm lossagen und hing zumindest an
den Wochenenden zunächst noch gelegentlich mit ihm ab. Zusammen mit anderen Jungs und Mädels aus dem Viertel liefen wir gelegentlich
zum Grenzstreifen in Richtung Teltow. Es ging 45 Minuten lang über Feld- und Waldwege. Wir hatten immer viel Spaß, wir lachten und
entspannten uns in der Sonne. Bis Tayfun eines Tages völlig unerwartet eine Knarre zog. A lle blieben stehen und starrten ihn an. Ich hatte
schon öfter Pistolen gesehen, trotzdem war mir bei dem A nblick nicht ganz wohl. »Die ist doch eh nicht geladen«, sagte ein Mädchen und
lachte ihn aus. Tayfuns A ugen verengten sich, vollkommen psycho. Er fühlte sich durch die Worte der Tussi offenbar angestachelt, hob seinen
A rm und zielte mit seiner Waffe in den Himmel. Dann drückte er ab. Es knallte unheimlich laut. Bang, Boom, Bang! Erschrocken zuckten wir
zusammen, hielten uns die Ohren zu und schlossen die A ugen. A ls wir sie wieder öffneten, stand Tayfun vor uns und grinste teuflisch. Uns
wurde klar: Er hatte mit einer Gaspistole geschossen, denn ein krasser Windstoß blies die Wolke jetzt genau in unsere Richtung. Ich stand
etwas abseits und bekam zum Glück nicht viel ab, aber die Mädchen traf das Gas mitten in die Fresse. Sie hielten sich die Hände vors Gesicht
und kreischten hysterisch. Tränen schossen ihnen aus den A ugen. »Ich krieg keine Luft mehr«, schrien die Frauen. Eines der Mädchen brüllte
besonders
Weitere Kostenlose Bücher