Im Bus ganz hinten
fest. Da ich aber ganz genau wusste, dass es keinen Sinn hatte, mit den Chefs über eine vorzeitige Vertragsentlassung zu reden, beschloss ich, sie vor vollendete Tatsachen zu stellen und einfach öffentlich Schluss zu machen. In einem Interview mit dem Hip-Hop-Magazin Mixery Raw Deluxe ließ ich die Bombe platzen: »Ich bin raus bei Aggro Berlin!« Ich erklärte den Leuten, dass ich schon länger meine Probleme mit dem Label gehabt hatte und dass ich mein neues Album FLERnannte, um zu zeigen, dass es jetzt endlich nur noch um mich ging. Der Online-Clip, den wir im Konferenzraum bei Universal Music in der Stralauer Allee aufgenommen hatten, wurde von sehr vielen Leuten angeklickt. Die Szene schien tatsächlich geschockt. Keiner hatte ja gewusst, was hinter den Kulissen des Labels wirklich abging. Meine Fans konnten den Schritt erstaunlicherweise ziemlich gut nachvollziehen – worüber ich froh war. Aber ich hätte auch sonst keine andere Wahl gehabt.
Meine Bosse waren natürlich stocksauer. Sie riefen pausenlos bei mir an und wollten die Sache in einem Meeting klären. Darauf hatte ich aber keinen Bock. Wäre ich zu ihnen ins Büro gefahren, hätten sie mich wieder vollgequatscht und behandelt wie einen kleinen Jungen – und davon hatte ich endgültig genug. Ich wollte den Ort und die Zeit unseres Wiedersehens selbst bestimmen. Als ich mitbekam, dass Halil und Spaiche bei Universal rumhingen, stieg ich in meine S-Klasse und fuhr mit quietschenden Reifen zum Gebäude der Plattenfirma. Die beiden standen gerade vor der Tür. Sie sahen mich kommen und winkten mir mit einem Grinsen im Gesicht zu, aber es war klar, dass sie in Wahrheit überrascht waren über mein plötzliches Auftauchen. Ich stieg aus und ging auf sie zu. Spaiche begrüßte mich so, als wäre nichts passiert, und diese verlogene Heuchelei war genau das, was mich seit Jahren auf die Palme brachte.
»Wir brauchen gar nicht lange zu quatschen. Ich will raus aus dem Vertrag«, sagte ich. Spaiche guckte mich von oben herab an, als hätte ich Halluzinationen. Ich packte ihn am Kragen und zog ihn zu mir herüber.
»Mach keine Faxen«, sagte ich. Er lächelte noch immer vollkommen siegesbewusst und überlegen, ich holte mit der Faust weit aus – hielt dann in der Bewegung inne und dachte einen Moment lang nach. Es war schon komisch: Ich war kurz vor dem Schlag, und zum ersten Mal in meinem Leben lag es nicht daran, dass die Wut in mir rauschte und ich die Kontrolle verlor. Im Gegenteil: Ich hatte mir ganz nüchtern überlegt, dass ich mir von diesen Pfeifen nicht mehr auf der Nase herumtanzen lassen wollte. Spaiche grinste mich irritiert an.
Ich grinste zurück und verpasste ihm eine ordentliche Schelle.
Alte Freunde, neue Feinde!
Auch Bushido hatte das Mixery-Raw-Deluxe-Interview gesehen. Als ich nach Hause kam, hatte ich schon eine Nachricht von ihm bei MySpace.
Er schrieb: »Ist ja wieder viel los bei dir.« Meine Antwort: »Ja, ist doch immer so. Kennst mich doch.« Wir schrieben ein paarmal hin und her.
Und dann beschlossen wir, uns zu treffen. Wir tauschten Handynummern aus, und ich war irgendwie erleichtert. Ich fand’s cool, dass er sich nach meinem Ausstieg bei Aggro wieder gemeldet hatte.
Wenige Tage später rief mich Bushido an. Als es klingelte, war ich gerade bei Sido in der Wohnung. Tony D. und Doreen waren auch da. Ich ging raus, um zu telefonieren.
»Hey, Fler, wo sollen wir uns treffen?«, fragte Bushido. Wir vereinbarten unseren Treffpunkt an der Shell- Tankstelle Lichterfelde. Das war bei ihm in der Nähe. Als ich wieder zu den anderen zurückging, wollte ich mit offenen Karten spielen, damit mir später niemand Vorwürfe machen konnte. Ich erzählte Sido, dass Bushido und ich gerade dabei waren, uns zu versöhnen. Und er sagte:
»Mach das, kein Problem. Ihr seid ja jahrelang Freunde gewesen. Ich versteh das.« Später stellte sich heraus, dass das wohl nicht ernst gemeint war. Tony sah bloß starr vor sich hin und sagte gar nichts. Und Doreen war offen und ehrlich angepisst. Sie hatte Angst um Sido, weil ihm eine derartige Versöhnung karrieremäßig schaden würde. So viel war klar: Alle würden dann nur noch von Bushido und mir reden …
Ein paar Tage später war es schließlich so weit. Ich fuhr zur Tankstelle Lichterfelde und sah schon von Weitem Bushidos Wagen auf dem Parkplatz stehen. Als er ausstieg und auf mich zuging, stockte mir fast der Atem: Wir hatten uns seit Jahren nicht mehr persönlich gesehen, nur im Fernsehen
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