Im Bus ganz hinten
dem Land fühlte ich mich viel sicherer als in Berlin. Es war der Rückzugsort, den ich im Moment unbedingt brauchte, und das tat mir auch gut. Einige Stunden am Tag vergaß ich den ganzen Scheiß, der in Berlin auf mich wartete. Trotzdem merkte ich, dass ich vor meinen Problemen nicht so einfach davonlaufen konnte. Die Angst zu sterben holte mich immer wieder ein – egal, wo ich mich aufhielt.
Marleen konnte das alles überhaupt nicht nachvollziehen. Nachdem meine erste Euphorie verflogen war, merkte ich immer mehr, dass das mit uns keinen Sinn hatte.
»Irgendwie klappt das nicht mit uns«, erklärte ich ihr schließlich. Aber wie es von Anfang an Marleens Art war, ließ sie sich auch diesmal nicht so einfach abwimmeln.
»Nein, du kannst mich jetzt nicht allein lassen. Du musst hierbleiben. Ich will mit dir zusammen sein«, flehte sie mich an. Marleen klammerte sich ganz fest an mich und gab mir einen Kuss. Egal, was ich tat, sie wollte mich einfach nicht loslassen. Selbst als ich sie anbrüllte, hielt sie weiter an mir fest. Und da ich im Moment keine Nerven und keine Kraft zum Kämpfen hatte, gab ich mich geschlagen und blieb.
Eines Tages erzählte ich Marleen, dass es mir finanziell nicht so gut ging. Da zuckte sie plötzlich zusammen. Sie sagte nichts, aber ich merkte, dass sich dadurch etwas in ihr veränderte. Mit einem Mal wurde mir klar, dass sie in mir anscheinend nur den coolen Rapper, den Star, gesehen hatte. Für sie war ich der, der sie aus ihrer spießigen Dorfidylle rausholen, ihr teure Louis-Vuitton-Handtäschchen schenken und sie mit auf versnobte Schickimickipartys nehmen sollte. Ja, für sie war ich nur ein schniekes Angeberteil. An ihrer eingefrorenen Miene merkte ich sofort, dass sie keinen Bock hatte auf einen Kerl, der pleite war. Plötzlich war ich für sie nicht mehr ganz so wichtig.
Ich bekam ein ganz schlechtes Gefühl in der Magengegend. Nutzte mich diese Dorfschlampe etwa nur aus? Verarschte sie mich? Um das herauszufinden, schlich ich mich heimlich in ihr Zimmer und suchte nach dem Handy in ihrer Handtasche. Zum Glück musste ich nicht lange wühlen, bis ich es fand. Schnell löste ich die Tastensperre und ging in den Eingangsordner für SMS. Und da hatte ich schon den Beweis:
Marleen hatte nebenbei noch mit unzähligen anderen Typen was am Laufen. Ihr Handy war voll mit anzüglichen Flirtnachrichten von irgendwelchen Idioten namens Klaus, Achim und Sebastian. Sofort fing die Wut in meinem Kopf zu pochen an.
»Marleeeeeeeeeeeeeeen!« Ich schrie das ganze Haus zusammen. Mit ängstlichem Blick tippelte sie die Treppen hoch.
»Was schreibst du hier mit solchen Opfern?«, keifte ich sie an und hielt ihr das Handy unter die Nase.
»Wieso schnüffelst du in meinen Sachen rum?«, stellte sie die naheliegende Gegenfrage.
»Weil ich wusste, dass du eine dreckige Schlampe bist!«, antwortete ich wie aus der Pistole geschossen. Wir stritten so laut, dass es bis auf die Straße zu hören war. Wir plärrten das halbe Dorf zusammen. Und die Kühe auch. Wütend ballte ich meine rechte Hand zur Faust. Dann schlug ich mit aller Kraft gegen die Türe direkt neben ihrem Kopf. Es krachte ordentlich laut, und das Holz zersplitterte. Marleen drückte sich verängstigt gegen die Wand.
»Was ist da oben los?«, hörte ich von unten ihren Vater rufen. Mit drohendem Blick und erhobenem Zeigefinger stürmte er wenige Sekunden später auf mich zu.
»Was machst du hier in meinem Haus mit meiner Tochter?«, schrie er mich an. Mit weit aufgerissenen Augen starrte ich ihn an und brüllte zurück: »Mischen Sie sich nicht in Sachen ein, die Sie nichts angehen. Sonst schlag ich Ihnen die Fresse ein!« Er wurde ganz ruhig, packte Marleen am Arm und ging mit ihr zurück ins Erdgeschoss. Ich zog mich in mein Zimmer zurück, schloss hinter mir ab und versuchte mich zu beruhigen.
Ich wusste, so konnte es nicht weitergehen. Deshalb machte ich mir Tag und Nacht Gedanken: »Was wird aus meinem Leben? Wie kann ich zurück zum Ruhm finden?« Ich brauchte einen schlauen Plan. Einen Businessplan! Und dann fiel mir plötzlich etwas ein, was ich Bushido kurz vor unserem Streit geschenkt hatte: Power: Die 48 Gesetze der Macht! Ein Buch des Autors Robert Greene. Gemacht für Arschlöcher, die vor gar nichts mehr zurückschrecken. Selbst gelesen hatte ich es nie, weil mir die Regeln, die darin aufgeführt werden, immer ziemlich hart vorkamen. In dem Buch steht, wie man andere Menschen manipulieren kann, um selbst an die
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