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Im Café der moeglichen Traeume

Im Café der moeglichen Traeume

Titel: Im Café der moeglichen Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paola Calvetti
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Taschenspiegel herauszuholen, da mich der nette Großvater, während er für sich einen Cappuccino und ein Stück Möhrentorte bestellt, mit einer gewissen Milde mustert.
    Offenbar tue ich ihm leid.
    Â»Möhrentorte haben wir leider nicht«, sagt Manuel und empfiehlt zuvorkommend ein Stück Blaubeer-Crostata.
    Â»Mhm … Crostata? Magst du Crostata, mein Liebling? Sag schon, mein Liebling, was hast du denn da gefunden, Schätzchen?« Das Kind zieht die gewitzte Miene dessen, der es gelernt hat, einen glücklichen Zufall zu seinem Vorteil zu nutzen. Der ungestüme Enkel muss dem Mann ein zweites oder drittes Leben geschenkt haben, den Umzug aus einem langweiligen Pensionärsdasein in die dankbare Rolle des Vollzeitgroßvaters. Die empathische Beziehung zwischen den beiden spricht schon aus den komplizenhaften Blicken, die das Glück verraten, in einer perfekten Welt zu leben. Ach, wie sehr würde ich mir doch wünschen, dass meine Großmutter jetzt hier wäre! Wir würden uns eine Tasse Tee und einen Schinken-Käse-Toast genehmigen, und ich wäre ganz ruhig. Ich würde nicht ständig auf das Display meines iPhones schauen, als wäre es ein Orakel, und der vergeblichen Hoffnung nachhängen, dass meine Großmutter an mich denkt.
    Â»Darf ich Ihnen noch etwas bringen?«
    Manuels Stimme reißt mich aus meiner unangemessenen Melancholie. So etwas kann ich mir gar nicht leisten. In Ausnahmesituationen – und in einer solchen befinde ich mich – muss man die Zähne zusammenbeißen und in die Zukunft schauen. Man darf nicht der Versuchung erliegen, sich in Selbstmitleid zu suhlen. Wenn ich traurig bin, ist das ohnehin nur von kurzer Dauer.
    Und weshalb überhaupt traurig? Wegen des Büroalltags?
    Mir wird ganz anders. Ist es wirklich möglich, dass ich mich nach dem Großraumbüro sehne, nach der Plörre aus der Kaffeemaschine, nach dem Tratsch auf der Toilette, nach der verordneten Fröhlichkeit, nach den Telefonkonferenzen im Versammlungsraum?
    Möglich.
    Ich muss einfach zugeben, dass ich kein Typ bin, der zu Hause arbeiten kann. Im Fernsehen sieht es immer so leicht aus: Die Verfechter des neuen Minimalismus gehen unter die Dusche, ziehen sich perfekt an, als würden sie das Haus verlassen, schalten den PC ein, treten via Skype mit der Welt in Kontakt und versorgen sie vom Küchentisch aus mit Ideen. Ich an ihrer Stelle würde mein Frühstück hinunterschlingen, den ganzen Tag im Schlafanzug herumlaufen und im Internet surfen, ohne irgendetwas zuwege zu bringen.
    Der Großvater lächelt mich an, und ich gebe mir alle Mühe zurückzulächeln. Vielleicht ist er Witwer, vielleicht wartet aber auch seine Frau auf ihn, und der Enkel ist eine willkommene Ausrede, um sich nicht ihr ewiges Wehklagen anhören zu müssen.
    Pause.
    Ich bin eine elende Schnüfflerin und mische mich in die Angelegenheiten anderer Leute ein, indem ich ihr Leben neu erfinde. Besser das Terrain unter Kontrolle halten. Ich tue so, als würde ich mich in die eingeschweißte Ziehharmonika vertiefen und als hätte ich ein dickes Portemonnaie. Schließlich schaue ich zu Manuel hoch, der weiterhin zu wissen begehrt, ob er mir noch etwas bringen darf.
    Â»Nun … ja … ich nehme noch einen Espresso. Oder nein, einen Espresso lungo. Mit sehr heißem Wasser, bitte.«
    Â»Amerikanisch also, sehr gern, Signora. Darf ich Ihnen vielleicht noch ein paar Plätzchen dazu bringen?«
    Â»Ja gerne. Die sind wirklich … lecker … fast wie selbstgemacht … Sie haben doch nicht etwa einen Ofen hier?«
    Ich möchte Manuel erzählen, dass der Kaffee mir Glück bringt, aber was interessiert ihn das schon? Vielleicht hasst er Kaffee und ganz besonders diese Leute, die ihn für eine Tasse amerikanischen Kaffee die Treppe hochscheuchen.
    Ebenso verkneife ich es mir auch, ihm von meiner Kampagne »Ich habe mein Leben mit dem Kaffeelöffel vermessen« zu erzählen (ungeniert von T.S. Eliot geklaut). Damals hat mir mein Chef, dieser Familienvater, der mich jetzt zur Zwangshausfrau degradiert hat, meinen ersten und vermutlich letzten Bonus ausgezahlt, ein paar hundert Euro, die mir nun zupasskämen, die ich aber in meinem vergangenen Leben auf unvernünftige Weise zum Fenster herausgeschmissen habe: für zwei Schachteln Polaroidkartuschen und ein Paar perlenbesetzte ockergelbe Sandalen mit

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