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Im Café der moeglichen Traeume

Im Café der moeglichen Traeume

Titel: Im Café der moeglichen Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paola Calvetti
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der Welt isolierten Festung herum, neunundfünfzig Stunden noch bis Heiligabend, und ich müsste zwei Anrufe und drei SMS beantworten, die unbeachtet auf meinem Display warten.
    Hallo, alles in Ordnung?
11:07
    Ich muss mit dir reden. Ruf mich an.
11:34
    Ist dein Akku leer?
12:03

    Sie sind von Sarah, meiner besten Freundin, die normalerweise alle Neuigkeiten über mich in Echtzeit erfährt und in diesem Moment alles hat, was ich nicht habe: Körbchengröße C, einen unbefristeten Vertrag in einer renommierten Werbeagentur, einen Ingenieur zum Ehemann und einen Sohn, der problemlos vom Fläschchen aufs Breichen umgestiegen ist. Neid? Nicht wirklich, dazu mag ich sie zu gern. Außerdem glaube an das Schicksal, das sich zeigt, wenn du ihm durch die Befolgung unsichtbarer Regeln ein wenig schmeichelst. Das ist wie bei den Gravitationsgesetzen, der Wettervorhersage und den Rubbellosen, die in der Etage unter mir unentwegt über die Theke gehen – an drei alte Damen, die in ihrer Zartheit an Zwillinge erinnern, und an zwei ebenfalls winzige alte Herren. Sie rubbeln und rubbeln und rubbeln, ohne irgendetwas zu gewinnen, aber es scheint sie hochgradig zu amüsieren, ihre Rente zu verschleudern. Glücklich, wer eine hat. Sarah hat innerhalb weniger Monate geschafft, was mir nicht einmal ansatzweise gelungen ist. Vielleicht weil sie – statt darauf zu warten, dass es ihr auf die Füße fällt – dem Schicksal nachhilft und ihm im rechten Moment einen kleinen Schubs gibt. Als sich der Schubs in ihrem Fall als ordentlicher Stoß erwies, hat sie, klug wie immer, nicht geschachert.
    Als Kinder wohnten wir im selben Haus, und auch in der Grundschule, in der Mittelschule und auf dem Gymnasium saßen wir nebeneinander, und wir haben uns nie gestritten. Wir sind von Grund auf verschieden, aber gerade deswegen sind wir unzertrennlich und verstehen uns blind.
    Als meine Eltern sich trennten, klebte sie wie eine Klette an mir und zog auch gleich bei mir ein: »Man kann nie wissen, solltest du eine Krise haben, bin ich da.« Die akute Krise blieb aus. Ich hasste meinen Vater jedes Mal, wenn ich meine Mutter auf der Sofakante sitzen und, die Ellbogen auf die Knie gestützt, ins Leere starren sah. Dass aber Sarah zu jeder beliebigen Nachtzeit neben mir lag und sich abends in der Wohnung der Duft ihrer fantastischen Suppen verbreitete, hat entschieden dazu beigetragen, dass ich Papas Freundin als dämliche Blutsaugerin betrachten konnte und nicht als Rivalin, die ich zum Duell fordern musste. Vielleicht würde Sarah die Belle Etage meiner Bar Tabacchi mögen. Schäbig, aber gemütlich, würde sie sagen, als wäre es ein rustikales Ausflugslokal. Hier oben scheint sich alles in Zeitlupe zu bewegen, selbst mein Gehirn.
    Unten hingegen herrscht ein Kommen und Gehen von Leuten, die sich offenbar in einer Berghütte wähnen. Es würde mich nicht wundern, einen Bernhardiner zusammen mit all diesen Gästen hereinkommen zu sehen, die mit den Absätzen aufstampfen und ihre Schirme über den Dünen aus Sägespänen, die Glatzkopf auf dem Fußboden verteilt hat, ausschütteln.
    Tobia steht auf und will gehen.
    He, du hast erst zwei Tassen Kaffee getrunken, was ist denn los? Fehlt die Inspiration, oder störe ich dich etwa?
    Manuel kommt die Treppe hoch. Geschickt wie ein Schlafwandler turnt er um einen Alten herum, der sich schließlich, nachdem er sich die Treppe hochgeschleppt hat, auf einen Stuhl sinken lässt. Das dazugehörige Kind – vermutlich sein Enkel, sollte es nicht die Frucht einer senilen Leidenschaft sein – kriecht sofort mit einem blinkenden Monster unter meinen Stuhl und verheddert sich in seinem Jedi-Ritter-Mantel. Die Tüten eines Spielzeugladens, die unübersehbar mit Geschenken vollgestopft sind – ja, glauben die Kleinen denn nicht mehr an den Weihnachtsmann? –, landen auf dem Boden, ein paar Zentimeter von meinem Karton entfernt.
    Der Opa-oder-Vater, ein schöner Mann mit einem schönen, samtigen Hut auf dem weißen Haupt und einem Mantel, der entschieden nicht winterlich ist, sagt freundlich: »Komm da raus«, und verspricht im Gegenzug eine heiße Schokolade mit Sahne – »genau wie die Dame«, sagt er dann und schaut mich an. Meine Tasse ist allerdings leer, und so muss ich wohl davon ausgehen, dass ich wie eine Frau aussehe, die Trost in heißer Schokolade sucht. Ich traue mich nicht, den

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