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Im Café der moeglichen Traeume

Im Café der moeglichen Traeume

Titel: Im Café der moeglichen Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paola Calvetti
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landen, wenn gleichzeitig wie viele Flugzeuge starteten, ohne sich mit den Flügeln zu verheddern? Über lauter solchen Schwachsinn dachte er nach, obwohl er nur zu gut wusste, dass Position und Stärke einer Bewegung nicht präzise bestimmt werden konnten und dass die Unbestimmtheit, die jedes Leben ausmacht, auf einen Flughafen noch einmal besonders zutrifft.
    Was er wirklich gerne eruiert hätte, wäre das Verhältnis zwischen glücklichen und unglücklichen Personen unter all jenen, die in diesem exakten Moment dort standen und warteten.
    Wie er.
    Ich warte auf Enrico, aber ich habe keine Angst: Enrico kommt immer zu spät, und trotz seiner steilen Karriere ändert er sich nicht. Ich bin beim zweiten Espresso.
    Alle warteten darauf, dass irgendetwas geschah, nur der Typ mit dem grünen Herzen nicht. Der hatte das Herz unter den Arm geklemmt und ging in Richtung Ausgang.
    Diego wartete auf seine Eltern, die aus den USA zurückkehrten. Die Nase des Flugzeugs zeigte bereits zu Boden. Die Stimme aus dem Lautsprecher leierte ihren Sermon herunter und verkündete, dass die Landung nun begonnen habe und für 13:45 Uhr zu erwarten sei. Oder nein, die Anzeigetafel stellte sich auf 14:05 Uhr um, zwanzig zusätzliche Minuten, in denen man dort sitzen und Flugzeuge beobachten konnte, jene, die Leute brachten, und jene, die Leute mitnahmen, um sich dabei vorzustellen, wie es wäre, wenn jemand Bekanntes die Gangway herunterkäme. Es hatte etwas Magisches, am Flughafen einen Freund zu treffen, etwas Unvermitteltes und sogar Abenteuerliches, dieses: »Ach, du auch hier?« und: »Wie geht’s denn?«
    Nach monatelangem Insistieren und unter Zuhilfenahme der Ausrede, er wolle seinen alten Sozius umarmen, der mittlerweile als Pensionär im künstlichen Paradies von Miami Beach wohnte, hatte der Vater seine Ehefrau überredet. Diego gefiel die Vorstellung, dass seine Alten sich in die Obhut von jemand anderem als ihm selbst begaben und die palmenbestandene Collins Avenue oder die grüne Strandpromenade entlangflanierten oder irgendwo anhielten, um sich ein Hörnchen mit exotischen Eissorten zu kaufen und sich wechselseitig probieren zu lassen – Er: »Versuch mal das hier, das ist köstlich«, und sie, mit ihrem unsicheren Lächeln: »Ganz ausgezeichnet, stimmt«. Miami hatte die beiden aber nicht wirklich auf andere Gedanken bringen können. Vielleicht lag es an der überbordenden Vitalität in diesem Ghetto der Scheintoten, vielleicht konnte auch kein Ort weit genug weg sein von der Angst.
    Mama und Papa kehrten heim.
    Der Stahlzylinder, der sie rechtzeitig zum Applaus für die juristische Meisterleistung nach Hause zurückbrachte, kreiste über seinen Gedanken. Diego schloss die Augen. Er stellte sich vor, wie sie sich in die letzte Reihe verkrochen hatten, sie den weißen Kopf auf seiner Schulter, er mit der Zeitung in der Hand, der Rücken so krumm wie die Nase des Flugzeugs. Er hörte die Seufzer seiner Mutter, die am Schweigen seines Vaters zerschellten, wie damals, als er ebenfalls nicht reagiert hatte auf ihr stilles Bekenntnis, das so still dann doch wieder nicht war: »Es wäre besser gewesen, ich wäre da hinabgestürzt.«
    Nie hatte er erlebt, dass sein Vater die Geduld verlor.
    Auch damals hatte er nur mit dem Kinn in Richtung Teppich gedeutet, wo das Kind mit seinen Soldaten spielte. Diego aber, der jede unmerkliche Veränderung im Gesicht seiner Mutter registrierte, hatte alles mitbekommen. Und zu den Rotröcken der Königin gegriffen, die im Verein mit der französischen Kaisergarde marschierten, gemeinsam mit den Kelten und den Römern, den arabischen Beduinen und dem blonden Robin Hood, der direkt neben dem Sheriff von Nottingham und dem Apachen Geronimo einherschritt. Zur Schlachtordnung stellte er sie nie auf, sondern immer nur in Reih und Glied, ohne die Guten von den Bösen zu trennen. Konfliktscheu, wie er war, zog er es vor, sich die Dinge lieber auf seine Weise zurechtzulegen und nicht allzu viel Chaos anzurichten.
    Â»Ja, er hat die Sache gut verpackt, lasst ihn nach Möglichkeit nicht alleine, man weiß ja nie, wie ein Kind so etwas wegsteckt, vielleicht hat er auch gar nicht so richtig begriffen, was passiert ist.« »Ja, ja, er isst ganz normal. Und er schläft gut und geht gerne zur Schule. Na ja, er redet nicht, ein paar Wochen schon. Der Bruder fehlt ihm, klar fehlt er ihm,

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